Kleine Einführung
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(jhr)

































 



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° Der Politiker und sein Sohn


 

Der Politiker und sein Sohn
Eine Satire von Thomas Brändle

Das nachfolgende Vater-Sohn-Gespräch wurde im ersten Halbjahr 2007 als Fünfteiler auf der Intranet-Website des Schweizerischen Bundesparlamentsdienstes in Bern veröffentlicht.



«Papa, warum heissen die Wünsche der Politiker ‹Begehrlichkeiten› und die der Konsumenten ‹Nachfrage›?»

«Hast du das aus der Schule mitgebracht?»

«Du bist doch der Politiker, Paps! Wegen dir gibt es Früh-Englisch, Früh-Politik, Früh-Golf, Früh-Ökonomie…»

«Ist ja schon gut, Sohn!»

«Was is' jetzt mit meiner Frage?»

«Na, die Wünsche der Konsumenten steigern das Wirtschaftswachstum und die Begehrlichkeiten der Politiker nur das Wachstum des Staatshaushaltes.»

«Aber die Politiker vertreten doch auch das Volk und seine Wünsche?»

«Natürlich, Sohn.»

«Dann müsste man doch nur den Staat an die Wirtschaft verkaufen und schon könnte man das Wirtschafts-wachstum steigern.»

«Aber dann hätte ich ja keinen Job mehr, Sohn!»

«Du sagst doch eh immer, der Staat kostet zu viel Geld, Paps.»

«Schon, aber …»

«Wieso kriegst du als Nationalrat eigentlich so viel Geld und Mama kriegt nichts?»

«Na, weil sie nur Hausfrau und Mutter ist und …»

«Ist deine Arbeit mehr wert als die von Mama?»

«Das kann man so nicht sagen …»

«Doch, kann man. Der Brabeck von der Nestlé hat gesagt, was nichts kostet, ist nichts wert.»

«Wieso kennt Brabeck deine Mutter?»

«Das weiss ich nicht. Er hat das ja auch gesagt, weil er das Wasser privatisieren will. Damit würde die Nestlé wieder mehr wachsen.»

«Natürlich.»

«Dann müsste man doch auch Mama privatisieren?»

«Wie kommst du denn da drauf?»

«Na, damit sie vom Bruttosozialprodukt erfasst wird und die Schweiz wieder Wachstum hat. Und den Onkel Herbert müsste man auch privatisieren.»

«Onkel Herbert?»

«Ja, der macht doch immer Freiwilligenarbeit im Altersheim.»

«Darum heisst sie ja Freiwilligenarbeit, weil sie nichts kostet.»

«Nein, weil sie nichts wert ist.»

«Natürlich ist sie etwas wert …»

«Aber wenn sie doch nicht bezahlt wird!»

«Dann wäre es ja keine Freiwilligenarbeit mehr, Sohn.»

«Warum arbeitest du dann nicht kostenlos für den Staat, Papa?»

«Ich muss doch von irgendwas die Familie ernähren.»

«Wieso, Mami kocht doch?»

«Natürlich, aber was glaubst du, womit sie das Essen für uns bezahlt?»

«Wenn wir Mama privatisieren und du freiwillig arbeiten würdest, dann ginge es doch wieder auf?»

«Um das alles zu verstehen, bist du noch etwas zu klein, Sohnemann.»

«Du hast doch gesagt, dass ich das in der Schule lernen muss. Mama hat mir die DVD mit deinem Auftritt in der Polit-Fernsehsendung ‹Arena› gezeigt.»

«Hast du noch andere Fragen, Sohn? Vielleicht zur Sexualität?»

«Wieso, was willst du denn wissen, Paps?»

«Was ich wissen will?»

«Ja, Mama hat gestern beim Kaffeetrinken mit Frau Kottmeier gesagt, dass du keine Ahnung hättest, wie man eine Frau …»

«Und wieso weisst du, was Frau Kottmeier und deine Mama …?»

«Ich hab doch bei ‹Jugend forscht› den 1. Preis für das Hausüberwachungssystem …»

«Das hatte ich vergessen. Musst du dich nicht langsam fürs Bett fertig machen, Sohnemann?»

«Papa, wieso privatisiert man Dinge überhaupt?»

«Weil dann alles billiger wird.»

«Aber dann müsste man doch Mama erst recht …»

«So, jetzt ist es aber genug, Sohn.»

«Du sagst doch immer, Mama würde zuviel Geld ausgeben.»

«Noch eine freche Antwort und dann werde ich auch dich privatisieren, mein Sohn.»

«Das ist eine gute Idee. Ich habe nämlich im ‹Beobachter› gelesen, dass das Kinderhaben für die Schweizer ein Armutsrisiko bedeutet. Wenn wir die Kinder privatisieren, dann können auch die ärmeren Leute Kinder haben und wieder Produkte von Schweizer Bauern kaufen.»

«Du bist ein richtiger kleiner Klugscheisser geworden, mein Sohn.»

«Natürlich! Du hast doch in der ‹Arena› gesagt, dass wir bei der Pisa-Studie wieder besser abschneiden müssen, wenn wir die Zukunft …»


«Na, Sohnemann, hast du gut geschlafen?»

«Danke, ja, Papa. Hast du auch gut geschlafen?»

«Es geht so.»

«Hat dich Mama wieder rausgeschmissen?»

«Wie kommst du denn da drauf?»

«Na, weil du wieder auf dem Sofa schlafen musstest, weil du nicht effizient bist.»

«Weil ich nicht effizient bin? Was soll denn das jetzt wieder heissen?»

«In der ‹Arena› sagst du, die Schweiz müsse wachsen und darum produktiver, kreativer und effizienter werden.»

«Und was hat das nun damit zu tun, dass ich auf dem Sofa geschlafen habe?»

«Weil du die dreckige Wäsche immer rum liegen lässt, statt sie gleich in den Wäschekorb zu werfen, weil du das Geschirr nie abräumst und direkt in den Geschirrspüler stellst und weil Mama dir alles mehrmals sagen muss, bis du etwas machst. Mama findet das alles nicht sehr effizient, deswegen habt ihr euch wieder gestritten, und dann hat sie dich aus dem Schlafzimmer rausgeworfen. Genau wie letzte Woche.»

«Es reicht! Ich bin schliesslich kein Hausmann.»

«Aber es wäre effizienter, wenn du Mamas Haushaltsführung etwas unterstützen würdest, sagt sie. Vor allem, weil ‹effizient› eines deiner Lieblingswörter ist.»

«Iss deine Flocken und frag nicht so viel!»

«Wer nicht fragt, bleibt dumm, Papa.»

«Und wer viel fragt, wird viel angelogen. Alte Politikerweisheit!»

«Das sagt Mama auch immer, wenn sie dich was gefragt hat.»

«So, und was sagt deine Mama sonst noch den ganzen lieben langen Tag?»

«Sie sagt, dass du zwar kein kreativer, aber ein sehr effizienter Liebhaber wärst …»

«Ach?! Und das erzählt sie dir?»

«Nein, den Kaffeefrauen …, und wenn sie das sagt, dann lachen die immer.»

«Hast du vielleicht noch eine politische Frage an mich, mein Sohn?»

«Kann man ein Erbe auch ausschlagen, Papa?»

«Natürlich kann man das. Wie kommst du denn jetzt da drauf?»

«Der Onkel Herbert hat gesagt, wir Kinder seien ganz arm dran, weil wir die Staatsverschuldung bezahlen, immer länger arbeiten und für immer mehr Rentner schauen müssten, obwohl wir weniger verdienen werden.»

«Und was hat der schlaue Onkel Herbert als Lösung vorgeschlagen?»

«Er hat gesagt, ich solle mir ein anderes Land suchen.»

«Du solltest nicht soviel mit dem Onkel Herbert zusammen sein.»

«Dafür solltest du aber mehr mit Onkel Herbert zusammensitzen.»

«Sagt er das?»

«Ja, weil er das Volk ist. Und als du noch zum Volk gehört hast, hat man noch verstanden, was du für eine Meinung hattest.»

«Ich gehöre ja wohl immer noch zum Volk, junger Mann. Sag das deinem schlauen Onkel Herbert. Es ist halt alles ein bisschen komplexer, als sich das die Stammtischplauderer vorstellen.»

«Onkel Herbert sagt, dass die Politiker nicht zum Volk gehören. Die würden eine Gehirnwäsche kriegen, und darum sprechen sie plötzlich so komisch. Und ausserdem plappern sie einander alles nach … oder den Zeitungen. Und wenn ein Politiker eine eigene Meinung habe, dann würden sich die anderen Parteileute ärgern.»

«Dann kann ja dein Onkel Herbert mal kandidieren, wenn er immer alles besser weiss.»

«Onkel Herbert sagt, dass er sich mit keiner Partei impräg …»

«Identifizieren.»

«Und dass ihr immer viel zu viele komplizierte Wörter braucht; wie eine Geheimsprache, um das Volk zu verwirren; damit keiner mehr zuhört und ihr machen könnt, was ihr wollt.»

«Dein Onkel ist ein Verschwörungstheoretiker.»

«Ja, das sagt er auch immer.»

«Was, dass ich ein Verschwörungstheoretiker bin?»

«Nein, dass die Politiker das immer sagen, wenn jemand aus dem Volk etwas Unangenehmes anspricht.»

«Hast du keine anderen Freunde als deinen Onkel Herbert?»

«Doch, den Benni. Sein Vater ist auch Politiker, aber bei einer anderen Partei als du. Und der Benni sagt immer, dass sein Vater sagt, dass du ein Optort …»
«Ein Opportunist?»
«Genau!»
«Wie heisst denn der Benni noch?»

«Affentranger.»

«Aha, der Affentranger. Einer von den ganz Schlauen.»

«Wie der Onkel Herbert?»

«Nein, der ist noch viel schlauer. Musst du eigentlich nicht bald in die Schule, Sohnemann?»

«Heute ist Pascal dran.»

«Wie, heute ist Pascal dran?»

«Wir wechseln uns ab, damit der Lehrer länger brennt.»

«Spinnst du jetzt völlig?»

«Die Lehrer kriegen alle ein Burn-out. Und damit unser Herr Kammüller bis zur Pensionierung durchhält, gehen die anstrengendsten drei Schüler nur noch abwechslungsweise zur Schule.»

 


«Und, wie war die Schule, Junge?»

«Ganz okay.»
«Hast du dem Lehrer wieder Löcher in den Bauch gefragt?»

«Nö. Heute hat er ohne Pause geredet, damit ich nichts fragen konnte. Das macht er immer so, wenn er einen ruhigen Arbeitstag haben will.»

«Was hat er denn erzählt, dein Lehrer?»

«Wenn alle Menschen so leben möchten wie wir Schweizer, dann brauchen wir die Rohstoffe von drei bis fünf Planeten.»

«Aha? Und woher hat er das?»

«Aus einer Studie.»

«So! Da gibt es sicher eine Gegenstudie, die das nicht so eng sieht.»

«Ja, das hat er auch gesagt. Die Politiker möchten ein bestimmtes Ergebnis, und dann müssen die Experten eine Studie dazu machen. Und weil jede Partei ein anderes Ergebnis möchte, braucht es so viele Experten.»

«Und weil es so viele verwöhnte Gören gibt, braucht es so viele Heilpädagogen.»

«Das verstehe ich nicht, Paps.»

«Ist nicht so wichtig.»

«Eine Expertengruppe in Prag hat gesagt, dass es nur noch acht und nicht mehr zwölf Planeten gibt. Der Pluto ist nach der neuen Definition kein Planet mehr.»

«Und jetzt?»

«Na, zu welcher Partei gehören diese Experten wohl, Paps?»

«Das weiss ich doch jetzt nicht.»

«Na, zu den Neoliberalen. Die wollen so das Angebot verknappen, damit die Preise für Planeten rauf gehen.»

«So ein Unsinn! Planeten kann man doch nicht kaufen oder verkaufen?»

«Wieso, unsere Erde kann man doch auch kaufen? Von irgend Jemandem musst du das Grundstück, wo unser Haus draufsteht, doch auch gekauft haben?»

«Von Müllers, du Schlaumeier!»

«Und die?»

«So viel ich weiss, von Buchmanns.»

«Und die?»

«Wahrscheinlich von Adam und Eva!»

«Und die?»

«Vom lieben Gott natürlich!»

«Gibt's dafür einen Grundbucheintrag?»

«Einen was?»

«Na, einen Grundbucheintrag, der beweist, dass der liebe Gott seinen Planeten auch wirklich verkauft hat. Nicht dass es später noch Ärger gibt.»

«Wieso kannst du eigentlich nicht wie andere Kinder den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen, mit dem Luftgewehr auf Nachbars Katze schiessen oder den Mädchen nachlaufen?»

«Siehst du?»

«Was sehe ich?»

«Planeten kann man doch kaufen. Was machen wir, wenn die Chinesen und die Inder auch so leben möchten wie wir, aber der liebe Gott verkauft die anderen Planeten nicht?»

«Die Technik wird das Problem mit den Rohstoffen schon lösen, mein Sohn. Mach dir nicht so viele Gedanken.»

«Das haben die Leute auf der Osterinsel auch gesagt.»

«Was haben die gesagt?»

«Die haben den Wald für ihre Götzenstatuen abgeholzt, und als sie gemerkt haben, dass sie bald keine Bäume mehr haben, wenn sie so weitermachen, haben die einen gesagt, dass man wegen der Arbeitsplätze trotzdem nicht aufhören dürfe, andere haben gesagt, dass die Technik das Problem dann schon lösen würde, und andere meinten …»

«Wir bauen schliesslich keine Götzenstatuen.»

«Doch. Wir bauen Kirchen.»

«Die Kirchen stehen doch schon alle.»

«Die Einkaufscenter sind die Kirchen des Neoliberalismus, sagt Onkel Herbert. Die Schweiz hat dreimal mehr Verkaufsfläche als die meisten anderen europäischen Länder. Und aus Bauernhöfen machen wir Golfplätze. Das sind auch Götzen des Neoliberalismus.»

«Mein Sohn ist also ein Linker?»

«Nein, ich bin ein Freisinniger. Einer mit freien Sinnen, sagt der Onkel Herbert jedenfalls immer.»

«So?! Und wie haben die Leute auf den Osterinseln ihr Problem gelöst?»

«Die haben sich gegenseitig aufgefressen, weil sie nicht einmal mehr Holz hatten, um Boote zu bauen, um von der Insel wegzukommen.»

«Dumm gelaufen.»

«Das finde ich auch, Paps. Zum Glück bist du ein Politiker, der weiter voraus denkt, gell Paps.»

«Trink jetzt deine Milch aus, Junge.»

 


«Und welches ist jetzt das Bundeshaus, Paps?»

«Na, das dort mit dem Gerüst drum rum.»

«Wird es renoviert?»

«Genau. Ist aber auch Zeit dafür geworden.»

«Paps, warum bist du eigentlich Politiker geworden?»

«Ich wollte halt Verantwortung übernehmen, die Gesellschaft mitgestalten, statt nur am Stammtisch rumzujammern.»

«Der Onkel Herbert sagt aber, dass die Politiker gar keine Macht haben, um etwas zu gestalten oder um uns zu regieren.»

«So, sagt er das, dein feiner Onkel Herbert. Und wer regiert dann seiner Meinung nach die Schweiz?»

«Wenn ich mich auf dem Bundesplatz in Bern umschauen werde, dann wisse ich sofort, wer die Schweiz regiert, sagte der Onkel Herbert.»

«Und, hast du dich schon auf dem Bundesplatz umgesehen, Sohnemann?»

«Da stehen ja nur Banken, Paps.»

«Die Schweiz ist halt ein wichtiger Finanzplatz.»

«Geld regiert die Welt, gell Paps?»

«Ach, das ist so eine Redensart. Schau, dort ist die Frau Leuthard. Die ist Bundesrätin.»

«Geht die jetzt zur Bank rüber, um zu fragen, was sie machen muss?»

«Die Frau Leuthard geht nur zum Bankautomaten.»

«Wahrscheinlich will sie wieder Schuhe kaufen. Am besten Gummistiefel, wo sie doch jetzt so viel auf den Bauernhöfen ist.»

«Was du dir immer zusammen denkst, Sohnemann, also wirklich.»

«Schau, Paps, da sind chinesische Invasoren und machen Fotos. Ich glaube, die interessieren sich für das Bundeshaus. Wahrscheinlich wollen sie es kaufen.»

«Das Bundeshaus? So ein Quatsch. Das Bundeshaus kann man nicht kaufen. Das sind keine Invasoren, sondern Touristen.»

«Der Onkel Herbert sagt den Investoren Invasoren. Die Chinesen und die Russen haben so viel Geld, dass sie alles aufkaufen, bevor das Geld nichts mehr wert ist, und die Politiker tun alles privatisieren, damit die dann auch alles kaufen können, die Russen und die Chinesen.»

«Schau, da ist der Samuel Schmid. Jetzt kannst du mal mit einem richtigen Bundesrat reden.»

«Ah, der Nationalrat Bollmann mit Sohn. Na, willst du sehen, wo dein Papa arbeitet?»

 


«Wieso können Sie einfach so ohne Aufpasser in der Stadt herumlaufen, Bundesrat Schmid?»

«Dein Vater kann das doch auch? Politiker sind in der Schweiz nicht so mächtig, dass man sie schützen müsste.»

«Siehst du, Paps, sogar der Bundesrat sagt, dass das Geld die Schweiz regiert.»

«Das hat er doch gar nicht gesagt, Sohnemann.»

«Und warum wird dann das Geld in gepanzerten Lastwagen rumkutschiert und unsere Bundesräte nicht?»

«Sie haben aber einen aufgeweckten Jungen, Nationalrat Bollmann.»

«Vielen Dank, Herr Bundesrat.»

«Sind Sie nicht der Chef vom Militär, Herr Bundesrat?»

«Du bist aber gut informiert. Wie heisst du eigentlich?»

«Martin Bollmann. Wie mein Paps. Für was braucht die Schweiz eigentlich eine Armee?»

«Na, um das Land zu verteidigen.»

«Das verstehe ich nicht. Wollen Sie alle erschiessen, die bei uns etwas kaufen?»

«Wieso sollten wir das tun, junger Mann?»

«Die Russen, die Chinesen und die Deutschen kaufen in der Schweiz doch schon alles Mögliche, und die waren doch mal unsere Feinde.»

«Ja, aber das ist doch schon lange her, Martin Bollmann. Und wir Schweizer kaufen im Ausland schliesslich auch andere Firmen.»

«Der Onkel Herbert hat eine Metzgerei in Schlieren, und der kauft im Ausland keine anderen Metzgereien.»

«Ja, die Wirtschaft ist halt eine komplexe Angelegenheit, junger Mann.»

«Wenn ich mal Soldat bin und die Russen überfallen die Schweiz, muss ich dann auch das Eigentum der Chinesen verteidigen, Herr Bundesrat?»

«So, jetzt muss ich aber in die nächste Sitzung. Es hat mich sehr gefreut, dich kennen zu lernen, Martin.»
«Ja, tschüss Herr Schmid.»

«Jetzt hast du ihn verärgert. Wieso musst du bloss immer so freche Fragen stellen, Sohnemann?»

«Wenn wir den Finanzbundesrat treffen würden, dann wüsste ich noch mehr freche Fragen, Paps. Ist das dort nicht der Bundespräsi Leuenberger. Hallo, Herr Leuenberger!»

«Martin, du kannst doch nicht …»

«Ah, der Nationalrat Bollmann mit …»

«… Martin Bollmann. Ich habe eine Idee für das Neat-Problem, Herr Bundesrat.»

«Aha? Und was für eine?»

«Privatisieren und dann verkaufen!»

«So?! Und an wen, junger Mann?»

«An die Chinesen. Die haben über eine Billion Dollar Währungsreserve und wollen die ausgeben. Dann gehört der Gotthard den Chinesen und dem Ägypter, und wir müssten nicht noch mehr Schulden machen. Am besten verkaufen wir gleich die ganze Schweiz und teilen das Geld unter den Schweizern auf. Dann muss kein Schweizer mehr arbeiten, und alle könnten das Geld für sich arbeiten lassen. Dann hätte die Politik das gemacht, was schon der Aristoteles als Ziel für die Politiker vorgegeben hat.»

«Du bist mir ja ein lustiger Bursche, Martin Bollmann.»

«Danke, Herr Bundesrat.»

«Sie müssen entschuldigen, mein Sohn hat eine überbordende Phanta …»

«Woher er das wohl haben kann …, und was ist das Ziel von Aristoteles, Martin Bollmann?»

«Den Bürgerinnen und Bürgern das gute Leben zu ermöglichen.»
 

«Wie war's in Bern mit dem Papa, Martin?»

«Na ja, ging so. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass meine Generation über die heutigen Politiker ziemlich beunruhigt sein müsste, Mama.»

«Hast du das dem Papa auch gesagt?»

«Du weißt doch, wie die Politiker sind. Die hören lieber sich selber zu statt den anderen.»

«Jetzt übertreibst du aber, Söhnchen.»

«Das sagt der Papa auch immer.»

«Triffst du heute den Onkel Herbert wieder?»

«Nö, ich darf nicht mehr. Der Onkel Herbert hat einen schlechten Einfluss auf mich, sagt der Papa.»
«Findest du das auch?»

«Ich bin ganz durcheinander. Der Onkel Herbert sagt nämlich, dass die Medien einen schlechten Einfluss auf die Politiker haben. Wie die Sophisten auf die Griechen.»

«Das verstehe ich jetzt überhaupt nicht, Söhnchen.»

«Der Onkel Herbert hat gesagt, dass der Aristoteles alles gesagt hat, was es zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu sagen gäbe, und dann seien die Sophisten gekommen und haben gesagt, dass die Wahrheit von der Debattierfähigkeit abhängig ist.»

«Das stimmt doch auch. Parlament setzt sich aus den Worten ‹parlare› und ‹lamentare› zusammen.»

«Ja, schon. Aber jetzt stell dir vor, jemand kann die Mehrheit überzeugen, dass die Erde eine Scheibe ist. Dann ist das doch nicht die Wahrheit, sondern eben nur die Mehrheit.»

«Und jetzt meinst du, dass die Medien die heutigen Sophisten sind.»

«Ich weiss gar nichts mehr, Mama. Es ist alles so schwierig.»

«Du bist halt ein gescheiter Junge. Dann ist das Leben ein bisschen schwieriger.»

«Ich glaube, ich werde in Zukunft nicht mehr so viel mit dem Onkel Herbert und dem Papa rumhängen, sondern mehr mit meinen Kumpels von der Schule.»

«Kannst du denn mit denen auch so gut reden, Söhnchen?»

«Reden? Nein, aber dafür saufen und Ausländer verkloppen.»

«Das finde ich ja nun wirklich keine tolle Idee, Martin.»

«Schon, aber der Papa schimpft doch im Parlament eh immer über die Jugendlichen, die keine Grenzen mehr kennen und immer gewalttätiger werden würden.»

«Aber er ist doch immer ganz stolz auf dich. Das letzte Mal hat er in der ‹Arena› ganz freudig von dir erzählt, weil du immer so interessiert bist, gescheite Fragen stellst und den Politikern ganz kritisch auf die Finger schaust.»

«Du, Mama, war Papa schon Politiker, als du ihn geheiratet hast?»

«Nein, da war er noch ein einfacher Geschäftsführer.»

«Und warum ist er dann auf die schiefe Bahn gekommen?»

«Der Papa ist doch nicht auf die schiefe Bahn gekommen?!»

«Der Onkel Herbert sagt aber immer, die Politiker müssten sich prosti …»

«Prostituieren.»

«Genau! Und der Papa sagt, dass die Prosti …»

«Prostituierten.»

«Das klingt ja wie eine Pizza?»

«Wie eine Pizza?»

«Pizza con Prostitute e funghi.»

«Und was sagt der Papa über die Prostituierten?»

«Dass das Frauen sind, die auf die schiefe Bahn geraten sind, und dass das für die Gesellschaft ein grosses Problem ist.»

«Ja, aber die Frauen verkaufen ihren Körper an fremde Männer.»

«Und die Politiker ihre Seelen an fremde Firmen.»

«Was du immer für Ideen hast, Söhnchen.»

«Das hat der Onkel Herbert gesagt.»

«Vielleicht solltest du wirklich nicht mehr so viel mit ihm zusammen sein.»

«Am besten wäre, wenn die Politiker im Parlament wie der Michael Schumacher Overalls tragen würden, wo dann die Firmenlogos aufgestickt sind, von denen sie bezahlt werden. Dann wäre alles viel transparenter.»

«Dein Papa vertritt das Volk und Mutter Helvetia. Du kannst stolz auf deinen Papa sein.»

«Das bin ich doch auch, Mama.»

«Dann musst du ihm das auch einmal sagen.»

«Ich habe ihm gesagt, dass ich für ihn stimmen werde, wenn er Bundesrat werden möchte.»

«Da hat er sich sicher gefreut.»

«Er hat mir einen Kuss gegeben und gesagt, dass es hoffentlich nie soweit kommen wird.»

«Wieso denn das? Will dein Papa nicht Bundesrat werden?»

«Nein, er hofft, dass ich niemals bei einer Bundesratswahl mitmachen kann.»

«Hat dein Vater nicht mehr alle Tassen im Schrank?»

«Er hat gesagt, dass vor den Bundesratswahlen so genannte Hearings stattfinden, und wenn ich ihm dann meine Fragen stellen würde, dann hätte er so oder so keine Chance mehr.»

«Da hat er wohl recht. Aber bei den anderen Kandidaten wäre ich mir dann auch nicht mehr so sicher.»

«Du, Mama?»

«Ja, Söhnchen?»

«Ohne Mütter gäbe es keine Konsumenten, Steuerzahler und Arbeitnehmer, oder?»

«Ja, das stimmt, Martin.»

«Dann sind die Mütter die wichtigsten von Allen, oder?»

«Ich glaube, ich sollte nochmals mit deinem Vater sprechen. Es braucht unbedingt mehr solche Politiker wie dich.»

«Gute Nacht, Mama.»

«Gute Nacht, Martin.»

 

Armaturen aus Plastik: Satiren
Thomas Brändle
Synergia/Syntropia-Verlag

Kurzbeschreibung
Wieso heiraten Scheidungsanwälte? Was tun Persönlichkeiten der Weltgeschichte im Himmel? Gibt es genügend Lesende für all die Schreibenden? Was, wenn der Tafelmajor die Braut immer noch liebt? Haben Auftragskiller auch komische Seiten? Sollten Seitensprünge nicht frontal angegangen werden? Was kann maskuliner sein als Küchen ohne Frauen? Sollte man Traumfrauen tagsüber aus dem Weg gehen? Was machen Rüstungskonzerne zwischen den Kriegen? Hat Gott sein Projekt Erde noch im Griff oder sollte man ihn abwählen? Sind Verschwörungen auch welche, wenn sie öffentlich sind? Wie saniert ein entlassener Manager den Haushalt seiner Frau? Warum wird die hohe Kunst des Smalltalks immer klein geredet? Wäre eine vollständig privatisierte Schweiz nicht rentabler? Sollte man nicht wenigstens dann ehrlich sein, wenn's um den eigenen Nachruf geht?

Diese und ähnliche Fragen stellt sich wohl jeder einmal im Laufe seines Lebens. Aber nur Humoristen und Satiriker kommen einer Antwort am nächsten. Thomas Brändles neuer Satireband ist ein ergiebiges Füllhorn solcher Annäherungen.



 

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