Kleine Einführung
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° Stürme auf der Sonne
Stürme auf der Sonne bedrohen unsere Zivilisation ... Sonnenstürme könnten Schäden an vielen Milliarden Satelliten, Navigations- und Telekommunikationssystemen verursachen und das Stromnetz lahmlegen. Ungewöhnlich früh sind die Goldgräber in den Rocky Mountains an diesem Septembertag im Jahr 1859 auf den Beinen: Kurz nach Mitternacht weckt ein helles Licht sie in ihren Zelten, und sie beginnen, ihre Frühstücksbrote zu streichen. Andernorts kann man mitten in der Nacht die Zeitung lesen, grüne, blaue und blutrote Lichter, die unentwegt über den Himmel huschen, geben eine schaurige, aber helle Beleuchtung ab. Bis hinunter nach El Salvador sind die Polarlichter zu sehen. Die Beamten in den Telegrafenämtern haben ganz andere Sorgen. Die seltsamen Lichter setzen Freileitungen unter Strom und das Telegrafenpapier in Flammen; immer wieder durchzucken Stromschläge die Morseapparate. In Baltimore braucht ein Telegrafist 14 Stunden, um ein paar dünne Zeilen zu den mysteriösen Ereignissen zu übermitteln. Hightech-Gesellschaft in Gefahr Heute, 150 Jahre später, sind Forscher überzeugt: Ein Sonnensturm, vielleicht der gewaltigste seit Menschengedenken, war für die Phänomene damals verantwortlich. Er traf die Erde völlig unvorbereitet, schliesslich wussten die Astronomen zu jener Zeit nicht einmal, wie Polarlichter entstehen. Aber der Sturm traf auch auf eine Erde, die technisch kaum entwickelt war, und richtete kaum Schäden an. Heute sähe das ganz anders aus. «Mögliche Schäden durch das Weltraumwetter sind Anlass zu wachsender Sorge», warnt die amerikanische Akademie der Wissenschaften in einem Bericht, den sie vor wenigen Wochen präsentierte. Darin heisst es auch: «Würden sich die Ereignisse von 1859 wiederholen, hätte das beträchtliche wirtschaftliche und soziale Störungen zu Folge.» Strom- und Wasserversorgung könnten zusammenbrechen, Satelliten den Betrieb einstellen, der Zahlungsverkehr stoppen. Ohne GPS- und Telekommunikationssysteme kämen weite Teile des öffentlichen Lebens zum Erliegen. Der ökonomische Schaden könnte 2000 Milliarden Dollar erreichen – zehnmal so viel wie beim Hurrikan Katrina. Normalerweise ist die Sonne ein recht friedlicher Stern. Die Kernfusion in ihrem Innern erzeugt das Licht und die Wärme, die das Leben auf der Erde möglich machen. Von Zeit zu Zeit läuft aber auch im Kraftwerk Sonne nicht alles rund. Dann kommt es auf der Oberfläche zu gewaltigen Eruptionen, die grosse Mengen Strahlung und geladener Teilchen ins All befördern. Um verlässlich angeben zu können, häufig und wie intensiv diese Ausbrüche sind, fehlen den Forschern langjährige Aufzeichnungen. Sie haben allerdings einen Trick gefunden, die Geschichte vergangener Eruptionen nachzuzeichnen: Weil die Protonen, die die Sonne bei ihren extremen Ausbrüchen in Richtung Erde schleudert, mit dem Stickstoff der Atmosphäre reagieren, fällt jedes Mal eine kleine Menge Nitrat zum Boden herab. Sonnenspuren in Eisbohrkernen Als Margaret Shea und ihr Team vom Forschungszentrum der US-Luftwaffe in Maryland Bohrkerne aus Grönland und aus der Antarktis untersuchten, konnten sie Nitratspuren eindeutig ausmachen. Insgesamt stiessen sie im Zeitraum von 1561 bis 1950 auf die Spuren von 19 Sonneneruptionen. Der Sturm von 1859 war fast doppelt so stark wie alle anderen Aktivitäten. Statistisch betrachtet, dürfte eine derartige Katastrophe die Erde somit nur alle 500 Jahre heimsuchen. David Hathaway, Solarphysiker beim US-Raumfahrtamt Nasa, warnt allerdings, solche Aussagen allzu wörtlich zu nehmen. Die Statistiken seien alles andere als stichhaltig. «Zudem wissen wir über Sonneneruptionen noch immer zu wenig, um eine Wiederholung der Ereignisse von 1859 zu unseren Lebzeiten ausschliessen zu können.» Bis zum nächsten katastrophalen Ausbruch könnten 300 Jahre vergehen, vielleicht aber auch nur 30 Tage. Auch kleinere Sonnenaktivitäten seien für die Erde gefährlich, schreiben die Nasa-Astronomen Sten Odenwald und James Green in der Zeitschrift «Scientific American »: Rund alle 50 Jahre werde der Planet von einer Sonneneruption heimgesucht, die etwa halb so stark sei wie der Sturm 1859. Zuletzt sei dies 1960 der Fall gewesen. «Wenn wir uns nicht wappnen, könnten heute die direkten und indirekten Kosten eines derartigen Sturms so hoch ausfallen wie bei einem starken Hurrikan oder einem Erdbeben», sagt Odenwald. Satelliten leben gefährlich Erstes Opfer wären die Satelliten. Bereits die alltägliche kosmische Strahlung, die auf ihre Sonnensegel prasselt, verringert die Leistungsfähigkeit der Solarzellen Jahr für Jahr um zwei Prozent. Die Plasmateilchen einer Sonneneruption würden innerhalb weniger Stunden die Lebensdauer eines Satelliten um ein bis drei Jahre reduzieren. Zudem sei mit Hunderten Pannen in der Elektronik zu rechnen – bis zum Ausfall kompletter Transponder. Allein die Schäden an den Satelliten würden sich auf 20 bis 70 Milliarden Dollar summieren. Schon heute versuchen Satellitenbetreiber, ihre teuren Trabanten bei Gefahr von den einfallenden Teilchen wegzudrehen und riskante Manöver zu vermeiden. Atmosphäre dehnt sich aus Keinen Schutz gibt es gegen eine andere Begleiterscheinung solarer Eruptionen: Die Röntgenstrahlung, die die Sonne in Zeiten erhöhter Aktivität aussendet, pumpt zusätzliche Energie in die Atmosphäre. Die Lufthülle dehnt sich aus, die Luftmoleküle vergrössern die Reibung im erdnahen Weltall. Dadurch werden alle Raumfahrzeuge, die in weniger als 600 Kilometer Höhe kreisen, abgebremst. Sie drohen innerhalb weniger Wochen abzustürzen. Einem japanischen Forschungssatelliten ist das im Jahr 2000 bereits zum Verhängnis geworden – während eines relativ leichten Sonnensturms. Die Röntgenstrahlung kann zudem die Kommunikation zwischen Erde und Satellit stören. So brachte die Sonne im Dezember wie 2005 die Signale des Navigationssystems GPS durcheinander. Die Störung dauert nur zehn Minuten; für Louis Lanzerotti, Herausgeber der Fachzeitschrift «Space Weather», war das aber lange genug: «Ich möchte während der Zeit nicht in einem Flugzeug gesessen haben, das sich im GPS-gesteuerten Landeanflug befand.» Da die geladenen Sonnenteilchen die oberen Atmosphärenschichten ionisieren, wird auch der Funkverkehr gestört. Betroffen sind besonders Flugzeuge auf Routen am Nordpol, wo die steil herausragenden Feldlinien des Erdmagnetfelds wenig Schutz bieten. Während kleinerer Sonneneruptionen im Januar 2005 musste allein United Airlines 26 Flüge umleiten, berichtet Manager Michael Stills. Zusätzliche Tankstopps seien nötig geworden, es habe Verspätungen von bis zu dreieinhalb Stunden gegeben. Stundenlang ohne Strom Eigentlich schützt das Erdmagnetfeld den Planeten vor solchen Phänomenen. Im Fall extrem starker Sonnenaktivitäten wird es aber selbst zum Opfer: Die geladenen Teilchen quetschen und schütteln es derart stark, dass ein geomagnetischer Sturm über die Erde fegt. Dieser kann in den Kabeln des Stromnetzes gewaltige Ströme induzieren, das Netz bricht zusammen. Infolge eines Sonnensturms waren 1989 sechs Millionen Kanadier neun Stunden lang ohne Strom. Heute wären die Folgen deutlich schlimmer, warnt der US-Report. Die Stromnetze bilden internationale Verbunde, Sicherheitsreserven sind kaum mehr vorhanden. Nach Berechnungen von John Kappenmann, der im Auftrag der kalifornischen Firma Metatech elektromagnetische Störungen analysiert, könnte in den USA ein mittelmässiger Sonnensturm 350 Transformatoren ausschalten und 150 Millionen Menschen im Dunkeln sitzen lassen. Rasch wäre auch die Wasserversorgung betroffen, sagt Kappenmann. «Verderbliche Nahrungsmittel und Medikamente gehen nach 24 Stunden verloren, Klimaanlagen fallen aus, das Telefonnetz bricht zusammen, der Benzinnachschub stockt und so weiter.» Mit Messgeräten auf Satelliten und am Boden versuchen die Nasa und die Europäische Esa, das Weltraumwetter vorherzusagen. Fehlalarme und verpasste Sonnenstürme seien aber an der Tagesordnung, kritisiert die amerikanische Akademie der Wissenschaften. Zudem sei die Technik auf Forschungsfragen ausgelegt, es fehle eine zuverlässige Beobachtungsplattform. Auch Sten Odenwald und James Green fordern, die Investitionen in Vorhersage, Modellierung und Grundlagenforschung zu verdoppeln – zum Schutz vor dem nächsten grossen Sonnensturm. «Nicht wenige Kollegen», so die NasaWissenschaftler, «erinnert die gegenwärtige Vorhersage solarer Eruptionen an die Art und Weise, wie Anfang der 50er-Jahre das Wetter prognostiziert wurde.» Alexander Stirn, www.tagi.ch, 10.02.2009
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