Kleine Einführung
ins aktuelle
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(jhr)
Kleine Einführung ins aktuelle Weltgeschehen
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° Grundeinkommen und die Wohlstandsverteilung
° Grundeinkommen für ALLE
Grundeinkommen und die Wohlstandsverteilung
Der Chef vom Drogeriemarkt dm, schreibt ein Buch. Er ist
nicht der erste deutsche Topmanager, der sich darin versucht. Und er setzt sich
automatisch der Kritik aus, ein Weltverbesserer in einer kapitalistischen Welt
zu sein, in deren empfundener ungerechter Wohlstandsverteilung er zweifellos auf
der Gewinnerseite steht. Derartiger Zynismus schnürt schon viel zu lange unserer
Gesellschaft den freien Atem ab, sodass viele gute Ideen in der Neiddebatte
untergegangen sind. Zwei Ideen entwickelt Werner in diesem Buch: Grundeinkommen
und Konsumsteuer.
Die Idee eines freien Grundeinkommens für jeden Bundesbürger erscheint auf den
ersten Blick utopisch. Doch der zweifellos existierende wirtschaftliche
Wohlstand in unserer Gesellschaft sollte uns in die glückliche Lage versetzen,
jeden Bürger mit seinen Grundbedürfnissen versorgen zu können. Werner stellt
damit richtigerweise fest, dass wir es in unserer heutigen Gesellschaft nicht
mehr mit einem Mangelproblem, sondern mit einem Verteilungsproblem des
Wohlstands zu tun haben.
Dieser Wohlstand basiert zu einem entscheidenden Teil auf maschineller
Produktivitätssteigerung und der damit einhergehenden Rationalisierung. Das
heißt: Tendenziell ist für immer mehr Wohlstand immer weniger menschliches
Arbeitsvolumen notwendig. Die immer weiter steigende Arbeitslosigkeit in allen
Industriestaaten ist demzufolge systemimmanent und – nach Werner – ein weiterer
glücklicher Umstand, der uns einen der frühen ersten menschlichen Träume
verwirklicht, nämlich Menschen von schwerer und gefährlicher Arbeit, vielleicht
sogar von aller Arbeit, zu befreien.
Grundeinkommen und die Verteilung des Wohlstandes
Wenn da nicht die Notwendigkeit des Einkommenserwerbs durch Arbeit wäre! Das
freie Grundeinkommen würde auch dieses Problem lösen, indem der Mehrwert aus
Maschinenarbeit auf die Bürger verteilt würde. Abstrakt ist deshalb Werners
Grundforderung, Arbeit von Einkommen zu trennen. Sie bedeutet: Arbeit muss
sinnstiftend, nicht gewinnbringend sein. Die Grundbedürfnisse eines jeden
Bürgers werden durch das Grundeinkommen abgedeckt.
Ohne den kulturell-emanzipatorischen Anspruch des Grundeinkommens muss diese
Forderung jedoch abstrakt bleiben. In einem zweiten Schritt fordert Werner den
wahrhaft menschlichen Produktivitätsfaktor, Kreativität, als zentrale Aufgabe
menschlichen Schaffens zu definieren. Das heißt, befreit von der Notwendigkeit
mit Arbeit ein Einkommen zu verdienen, würden Menschen arbeiten, weil sie
wollen, nicht weil sie müssen.
Der so erwirtschaftete Mehrwert würde auf das Grundeinkommen aufgeschlagen. Und
damit würde wahrhaft sinnstiftende Arbeit erreicht. Außerdem würde bisher
unbezahlte Arbeit, z. B. häusliche oder ehrenamtliche, besser gestellt als
heute. Und mit dem Grundeinkommen würde sogar ein finanzieller Anreiz
geschaffen, menschliche, anstatt maschineller Arbeit einzusetzen.
Die notwendigen Kernqualitäten von Arbeitplätzen in diesem Modell wären also:
sinnstiftend, interessant und attraktiv – als Anspruch an die Arbeitgeber. Sie
wären aber auch ihrer sozialen Verantwortung gegenüber dem Arbeitnehmer
entbunden, da das Grundeinkommen für die Grundversorgung aufkommen würde. Nach
Werner könnte so mehr Freude an Arbeit und mehr Flexibilität für die Unternehmer
erreicht werden. Hire and fire wäre kein Schreckensszenario mehr, sondern die
Bekenntnis zu Freiheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Werner fordert damit
nichts weniger als einen Systemwechsel im Denken unserer Wirtschafts- und den
Sozialbeziehungen.
Konsumsteuer und die Illusion des Geldes
Werner führt dem Leser die Illusion des Geldes vor Augen: „Niemand kann Geld
essen.“ Es sei nur ein Beleg für die erbrachte Arbeitsleistung eines Bürgers und
für die Güter, auf die er deshalb Anspruch hat. In Fachbegriffen wäre das der
Unterschied zwischen Realeinkommen (Netto) und Nominaleinkommen (Brutto).
Tatsächlich bekommt niemand sein Bruttoeinkommen je zu sehen und das
Nettoeinkommen wird auch nur sichtbar in den Gütern, die er/sie dafür erwirbt.
D.h. für Werner, dass auch Millionäre, was ihre Grundbedürfnisse betrifft, nicht
besser gestellt sind als einfache Arbeiter, da ein jeder nicht mehr als satt
werden kann.
Bestechend direkt würde deshalb die Konsumsteuer wirken: Die Yacht oder die
Luxusvilla, die sich der Millionär vielleicht kaufen möchte, sollten mit einer
höheren Mehrwertsteuer belegt sein als das Brot und die Milch, die jeder zum
Leben braucht. Alle anderen Steuern könnten somit abgeschafft werden – samt
Steuerschlupflöchern. Im Rückschluss heißt das aber auch, dass auf nicht
ausgegebenes Geld, oder in Produktion re-investiertes Geld keine Steuern
anfielen, was höchstwahrscheinlich zum Anstieg des Nominalreichtums von
Unternehmern führen würde. Ob wir tatsächlich so weit sind, diese Zahlen auf
Konten nicht mehr als ungerechten Reichtum zu sehen, bleibt fraglich. Und
vielleicht ist das Gefühl von Ungerechtigkeit auch gar nicht so unangebracht.
Chancen und Risiken
Zugegeben in einer anderen Zeit, aber vielleicht immer noch wahr, hat es
Lord Byron auf den Punkt gebracht: „Geld heißt Macht, Armut heißt Sklaverei“.
Macht bedeutet nicht nur, Geld zu haben, sondern andere Menschen mit diesem Geld
– oder anders gesagt über den Arbeitslohn – in die Lage zu versetzen an der
Gesellschaft teilzuhaben. Der, der Geld hat, kann diese Teilhabe ermöglichen
oder eben nicht – mit potentiell fatalen Folgen für den, der das Geld nicht hat.
Bezogen auf das Grundeinkommen, ist festzustellen, dass die Grundbedürfnisse
zwar gedeckt wären, dass Armut aber ein relativer Begriff ist.
Insofern ist es fraglich, ob das Grundeinkommen etwas an der ungerechten
Wohlstandsverteilung ändern würde. Eine reine Konsumsteuer würde dieses
Ungleichgewicht in der Wohlstandsverteilung eher verstärken und somit die
wirtschaftliche Macht der „Reichen“ in unserer Gesellschaft vergrößern.
Zu bedenken wäre auch die notwendige Kontrolle dieser wirtschaftlichen Macht.
Der Fall Nokia z.B. macht deutlich, dass wirtschaftliche Macht politische Macht
umgehen kann. Wie auch immer man zu der von Nokia verfolgten
Gewinnmaximierungslogik steht, diese wirtschaftliche Macht kommt in Konflikt mit
der in allen westlich-liberalen Verfassungen als einzig legitime Macht
postulierte Souveränität des Volkes.
Werner analysiert richtig, dass menschliches Arbeitsvolumen mittels
Rationalisierung durch Maschinenarbeit ersetzt wird. Damit wird aber auch immer
stärker der menschliche Kontrollmechanismus von wirtschaftlicher Macht z.B.
durch Gewerkschaften verloren gehen. Die daraus entstehende Gefahr für das
Machtgleichgewicht in einer Demokratie sollte nicht unterschätzt werden. Werner
würde sicher argumentieren, dass die Tendenz zu immer weniger menschlicher
Arbeit völlig unabhängig von der Einführung eines Grundeinkommens ist –
vielleicht sogar, dass das Grundeinkommen menschliche Arbeit wieder attraktiver
macht. Aber die Machtfrage stellt sich – wer hat wirtschaftliche Macht und wie
kann diese zum gesellschaftlichen Wohl kanalisiert und kontrolliert werden.
Überzeugungsarbeit zu einer besseren Gesellschaft
Was Werner fordert ist ein Systemwechsel, ohne zu wissen, ob das neue System
funktioniert oder besser ist. Unter normalen Bedingungen heißt das, dass das
bestehende Wirtschaftsystem kollabieren müsste. Und an einigen Stellen behauptet
Werner, dass genau dieser Kollaps kurz bevorsteht. Werner meint der (politische)
Wille sei hier entscheidend: Wer etwas will sucht Wege, wer nicht sucht Gründe.
Er könnte Recht haben insofern, als wir bei einem neuen System nie gewusst
haben, ob es funktioniert. Die Frage ist: Finden sich die Kräfte, den Schritt
ins Neue zu wagen? Und sind wir bereit, das Risiko eines Systemwechsels
einzugehen? Oder etwas pessimistischer: Ist der Leidensdruck schon groß genug,
um uns dieses Risiko eingehen zu lassen?
Dr. Thomas Hörber
École Supérieure des Sciences Commerciales d’Angers (ESSCA)
Götz W. Werner:, Einkommen für alle, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2007,
222 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-34-62-03775-3
Dagmar Günther, 04.04.2008,
www.vorwaerts.de
° Grundeinkommen für ALLE
Grundeinkommen für ALLE
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