In welches Gesellschaft wollen wir leben?
Rede Heribert Prantl
Im folgenden dokumentieren wir die Rede von Heribert Prantl, Leiter der
innenpolitischen Redaktion der Süddeutschen Zeitung, die er auf der
Auftaktveranstaltung des Gesellschafter-Projekts am 11.
März 2006 in Berlin
gehalten hat.
Zu den merkwürdigsten Abschnitten meines Lebens gehört der, den ich als
Angestellter in Alfred Wunsiedels Fabrik zubrachte ... Ich hatte mich der
Arbeitsvermittlung anvertraut und wurde mit sieben anderen Leidensgenossen in
Wunsiedels Fabrik geschickt, wo wir einer Eignungsprüfung unterzogen werden
sollten. Ich wurde als erster in den Prüfungsraum geschickt, wo auf reizenden
Tischen die Fragebögen bereitlagen. Erste Frage: „Halten Sie es für richtig,
dass der Mensch nur zwei Arme, zwei Beine, Augen und Ohren hat?” Hier erntete
ich zum ersten mal die Früchte meiner mir eigenen Nachdenklichkeit und ich
schrieb ohne zu zögern hin: „Selbst vier Arme, Beine und Ohren würden meinem
Tatendrang nicht genügen. Die Ausstattung des Menschen ist kümmerlich.” Zweite
Frage: „Wie viele Telefone können Sie gleichzeitig bedienen?” Auch hier war die
Antwort so leicht wie die Lösung einer Gleichung ersten Grades: „Wenn es nur
sieben Telefone sind”, schrieb ich, „werde ich ungeduldig, erst bei neun fühle
ich mich völlig ausgelastet.“ Dritte Frage: „Was machen Sie nach Feierabend?”
Meine Antwort: „Ich kenne das Wort Feierabend nicht mehr – in meinem fünfzehnten
Lebensjahr strich ich es aus meinem Vokabular, denn am Anfang war die Tat!” Ich
bekam die Stelle.
Es handelt sich, meine Damen und Herren, nicht um eine Episode aus meinem
Lebenslauf, sondern um eine Geschichte, die Heinrich Böll schon vor Jahrzehnten
geschrieben hat. Es könnte sich um die Beschreibung einer Prüfung bei einer
Sozial- und Arbeitsagentur im Jahr 2010 handeln. Verlangt wird der grenzenlos
flexible, unbeschränkt belastbare Arbeitnehmer, unglaublich gesund, unglaublich
robust und leistungsfähig. Die Frage lautet: Wollen wir eine solche
Gesellschaft, eine Gesellschaft, in der es überall zugeht wie in der Wunsiedler
Fabrik – in der unbegrenzte Leistungsfähigkeit zählt und nichts sonst, in der
der Marktwert zählt, in der Wert des Menschen nur am Lineal der Ökonomie
gemessen wird?
Die Frage ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Der bloße homo faber ist
Vergangenheit. Er war der Mensch der Moderne. In der Postmoderne reicht es nicht
mehr wenn der homo faber, der Mensch einfach arbeitet. Er muss ein homo faber
mobilis sein. Er soll in höchstem Maß flexibel, mobil und anpassungsfähig sein.
Seit langem wird daher so getan, als sei ein Mensch, wenn er keine Arbeit hat
und auch keine kriegt, schlichtweg nicht ausreichend flexibel, nicht ausreichend
mobil, nicht ausreichend anpassungsfähig. An der Arbeitslosigkeit ist also
angeblich nicht zuletzt derjenige selbst schuld, der keine Arbeit hat – wäre er
genügend mobil, flexibel und anpassungsfähig, wäre er also nicht zu bequem, dann
hätte er ja Arbeit. Viele Wirtschaftsinstitute und Wirtschaftsprofessoren,
Wirtschaftsfunktionäre und Politiker verlangen daher den neuen Menschen, den
homo faber novus mobilis, den Menschen also, der über seine Grenzen und
Behinderungen hinauswächst..
Im Gegensatz zu den Schnecken trägt der Mensch seine Behausung nicht mit sich
herum. Und er hat, auch deshalb, weil er, auch im Gegensatz zu den
Schalenweichtieren kein Zwitter ist, andere soziale Bedürfnisse, die sich unter
anderem darin äußern, dass er einen Lebenspartner sucht, eine Familie gründet,
im Sport- oder Gesangsverein aktiv ist, dass seine Kinder zur Schule gehen und
Freunde haben. Das setzt der ganz großen und unentwegten Mobilität gewisse
Schranken. Der „Wunsiedel-Mensch“, man kann ihn auch den Agenda-2010-Menschen
nennen, ist offenbar anders: Er ist ein Mensch ohne Kinder, ohne Familie und
ohne soziale Beziehungen. Überhaupt: Kinder sind aus dem Arbeitsleben
ausradiert, als gäbe es sich nicht, und sie sind dort ein Handicap für die, die
sie haben. Erst als ausgebildete Arbeitskräfte richtet sich das Interesse auf
sie – allerdings nur, wenn sie den Wünschen und Anforderungen des Arbeitsmarkts
entsprechen.
Es gibt dazu einen bitterbösen Satz des berühmten Professors Friedrich List. Der
lautet so: „Wer Schweine erzieht, ist ein produktives, wer Menschen erzieht, ein
unproduktives Mitglied der Gesellschaft.“ Der Satz stammt aus dem Jahr 1841, und
Professor Friedrich List hat ihn damals der liberalen Nationalökonomie
entgegengeschleudert. So alt und böse sein Wort auch ist, es trifft – trotz
Kinder- und Erziehungsgeld, trotz der Steuerfreibeträge für Kinder – noch immer.
Die Leistungen der Familie gehen bis heute nicht in die Berechnungen des
Volkseinkommens ein. Die Familien tragen die Lasten des sozialen Systems und
ernten dafür – Nachteile.
In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?
Wie wäre es mit einer Gesellschaft, in der man mehr Zeit für Kinder hat? Es ist
doch ziemlich sonderbar: In der Zeit, sagen wir zwischen fünfundzwanzig und
fünfzig, arbeiten wir wie die Blöden. Wir komprimieren unser ganzes Arbeitsleben
in die Zeit, in der wir Kinder bekommen und großziehen könnten. In dieser Zeit
machen wir es, nolens volens, fast wie der eingangs geschilderte
Wunsiedel-Mensch, haben aber für Kinder, weil wir die sieben Telefone bedienen
und flexibel und innovativ und mobil sein müssen, nicht richtig Zeit. Wenn wir
dann allmählich sechzig werden, gehen wir in Rente und genießen Jahrzehnte, die
zumeist aus den Sozialabgaben jüngerer Eltern finanziert werden, die aber
gleichzeitig für ihre eigenen Kinder aufkommen müssen. Mit Sechzig Plus haben
wir dann Zeit, aber keine Kinder.
Zukünftige Generationen werden unsere Lebensläufe einmal als irrational
bezeichnen. Man müsste also die Arbeit nicht einfach, wie es derzeit geschieht,
irgendwie zeitlich verlängern, sondern ganz neu verteilen.
In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?
Die neuere Geschichte der Familie ist die Geschichte ihrer steten Verkleinerung
– von der Großfamilie zur Klein- und Kleinstfamilie hin zu deren Auflösung in
Einzelteile, in Singles und Singles plus X. Der Sozialstaat hat die Entwicklung
von der Groß- zur Kleinfamilie begleitet, und das, was die Kleinfamilie objektiv
nicht mehr bewältigen konnte, wurde ausgelagert: Kranke in Krankenhäuser, Alte
in Altenheime, Kinder in Kindergärten, Sterbende in Sterbekliniken, Behinderte
in Behindertenheime und Behindertenwerkstätten. Die Sozialleistungen wurden
sozusagen entpersönlicht, sie wurden aus dem Solidarverband Familie
herausgenommen und monetarisiert, sie wurden in Großstrukturen
institutionalisiert und verrechtlicht. Aus sozialethischen Beziehungen wurden
Rechtsbeziehungen, an die Stelle familiärer Handreichungen trat der zuteilende
Verwaltungsakt. In dem Maß, in dem zur Finanzierung all dessen das Geld fehlt,
werden Reformgesetzte versuchen wollen, soziale Risiken zu refamiliarisieren –
aber die Familie, die das leisten könnte, ist, mangels Förderung, nicht mehr
vorhanden.
Kluge Sozialpolitik kann sich auch im Städtebau, in Bebauungsplänen
widerspiegeln. In Dänemark beispielsweise planen und bauen die Architekten
wieder Häuser für mehrere Generationen, Häuser für Menschen mit und ohne
Behinderungen. ‚Generationenübergreifende Architektur’ heißt das . Man kann auch
sagen: Es rückt wieder zusammen, was zusammen gehört. Wenn wieder mehrere
Generationen in einem Haus oder in einem baulichen Ensemble zusammenleben
können, ohne sich auf die Nerven zu gehen, ist das ein Fortschritt, der wohl
mehr bringt als die 25. Reform des Einkommensteuerrechts und die 58. im
Sozialgesetzbuch. Wenn so die Generationen sich räumlich näher kommen, ist der
Fürsorge für die Kinder und für die Älteren gleichermaßen gedient.
In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?
Wie wäre es mit einer Gesellschaft, die Heimat sein kann für alle Menschen, die
in ihr leben? Wie wäre es mit einer Gesellschaft, die sich darauf besinnt, was
Demokratie ist – nämlich, und das ist die schönste Definition, die ich für
Demokratie kenne, „eine Gesellschaft, die ihre Zukunft miteinander gestaltet“.
Miteinander gestaltet! Miteinander! Damit verträgt es sich nicht, wenn immer
mehr Menschen ausgegrenzt werden: Arbeitslose, sozial Schwache, Menschen mit
Behinderungen, Ausländer, Flüchtlinge, Einwanderer. Demokratie und Sozialstaat
gehören zusammen. Die Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie brauchen, um
Bürgerin und Bürger sein zu können, Ausbildung und Auskommen, sie brauchen eine
leidlich gesicherte Existenz, sie müssen frei sein können von Angst um die
eigenen Lebensverhältnisse. Ein Patriot ist der, der dafür sorgt, dass
Deutschland Heimat bleibt für alle Altbürger und Heimat wird für alle Neubürger.
Das nennt man Integration und das ist das Gegenteil von Ausgrenzung.
Vielleicht sind dafür andere Gaben notwendig als diejenigen, die man braucht, um
zu „rationalisieren“. In den vergangen Jahren sind nicht nur
Wirtschaftsbetriebe, sondern auch Universitäten, Schulen, Kinderläden,
Schwimmbäder und Bibliotheken rationalisiert worden. Es gibt einen blauäugigen
Glauben daran, man könne auch noch aus einem Gefängnis ein Profit-Center machen.
Rationalisierung bedeutet üblicherweise, dass man das Geld für zehn, hundert
oder tausend Leute spart, wenn man zehn, hundert oder tausend Leute „freisetzt“.
Eine Massenentlassung gilt jedenfalls den so genannten Analysten als
unternehmerische Leistung. Betriebswirtschaftliche Rationalität ist an die
Stelle der Ratio, an die Stelle der Vernunft der Aufklärung getreten. Man nennt
das – Rationalisierung.
Midas, der König Midas der klassisch-griechischen Sage, ist da Urbild der
Rationalisierer. König Midas wollte bekanntlich alles zu Gold machen, und wäre
fast daran zugrunde gegangen. Er hatte sich von Dionysos gewünscht, dass alles,
was er berühre, zu Gold werde. Und der Wunsch erfüllte sich – allerdings so,
dass auch Speis und Trank, sobald Midas essen wollte, sich zu Gold verwandelte.
Der Mann wäre verhungert, wenn Dionysos ihn nicht durch ein Bad in einer Quelle
von dieser verhängnisvollen Gabe wieder befreit hätte. Ein solches befreiendes
Bad steht wohl in unserer Gesellschaft noch aus. Man berauscht sich noch immer
daran, alles zu Gold zu machen, alles zu kommerzialisieren. Es fehlt die
Erkenntnis, die Midas gerade noch rechtzeitig hatte. Sie lautet: Man kann am
eigenen Erfolg auch krepieren. Der Unterschied zwischen Midas von damals und dem
Midas von heute ist allerdings der, das am Midas-Kult von heute erst einmal die
anderen kaputt gehen – die Freigesetzten, die Entlassenen, die nutzlos
Gemachten.
Auch die Arbeitswelt gehört aber, wie Familie, Schule und Gemeinde, zu dem, was
Heimat schafft. Wenn es also um „Reform“ geht, ein Wort, das zumal in
Kombination mit „des Sozialstaats“ („Reform des Sozialstaats“) ein Drohwort
geworden ist, gilt es, vergessene, verschüttete Werte wieder zu entdecken,
Werte, die im Furor des Standort-Wahns gering geschätzt wurden: Emotionale
Intelligenz zum Beispiel! Was nutzt ein hoher IQ und was nutzt die Mobilität und
die Flexibilität und die unglaubliche Belastbarkeit, wenn man ein emotionaler
Trottel ist? Wer auf seine Mitarbeiter nicht zugehen kann, wer sie nicht
anzuregen, nicht zu fördern, nicht zu begeistern vermag, der betreibt nicht
Wertschöpfung, sondern Wertzerstörung. Wer seine Mitarbeiter verunsichert, hat
oft letztendlich nur Angst davor, dass sie besser sind als er selbst.
In den vergangenen 15 Jahren konnte man eine eigenartige Beobachtung machen: Je
mehr der Sozialstaat diskreditiert wurde, umso kälter wurde auch der Ton in den
Betrieben – „das Soziale“ insgesamt verlor seinen Stellenwert. Man tat so, als
sei dafür nur noch eine bestimmte Kaste von Samaritern (Kirchen, Sozialarbeiter,
die Caritas und Aktion Mensch) zuständig. Mittlerweile wächst wieder die
Erkenntnis, dass leistungsfähiger Wettbewerb und sozialer Ausgleich
zusammengehören. Ein Land kann nur dann ein guter Wirtschaftsstandort sein, wenn
es auch ein guter Lebensstandort, ein menschlicher Standort, also ein
Sozialstaat ist.
„Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“ – so steht es in der
Präambel der schweizerischen Verfassung vom 18. April 1999. Das ist ein mutiger
Satz, weil die Stärke eines Volkes, die Stärke eines Staates gern an ganz
anderen Faktoren bemessen wird. Die einen messen sie am Bruttosozialprodukt und
am Exportüberschuss, die anderen reden dann vom starken Staat, wenn sie mehr
Polizei, mehr Strafrecht und mehr Gefängnis fordern. Kaum jemand fordert den
starken Staat, wenn es darum geht, soziale Ungleichheit zu beheben und etwas
gegen die Langzeitarbeitslosigkeit zu tun. Kaum jemand sagt „starker Staat“,
wenn er die Verknüpfung von Sozial- und Bildungspolitik meint. Kaum jemand redet
von der „Stärke eines Volkes“, wenn es darum geht, Menschen mit geistiger
Behinderung schulisch und beruflich zu integrieren,. Kaum jemand redet von der
„Stärke eines Volkes“, wenn es um das Bundesgleichstellungs- oder um das
Antidiskriminierungsgesetz geht. Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der
Schwachen – das ist ein starker Satz, auch wenn es wohl so ist, dass schon die
Bezeichnung „Schwache“ infiziert ist von den Ausschließlichkeitskriterien der
Leistungsgesellschaft. Ich bin der Meinung: Der starke Staat ist ein Staat, der
für Chancengleichheit sorgt, der sich um das Wohl der Schwachen kümmert – und
dabei allmählich lernt, dass die Schwachen gar nicht so schwach sind, wie man
oft meint und dann ihre Stärken, die Perfektion des Imperfekten, zu schätzen
lernt.
Nehmen wir die 100.000 Schülerinnen und Schüler, die Jahr für Jahr in
Deutschland die Hauptschule ohne Abschluss verlassen. Die Hauptschule ist,
anders als der Name sagt, nicht mehr Hauptschule, sondern Minderheitenschule,
Schule der Bildungsverlierer, der Großstadtkinder aus der Patchwork-Familie, aus
der Familie mit Migrationshintergrund. „Wir können nichts“ haben die Schüler im
fünften Schuljahr einer Hauptschule in Bergisch-Gladbach ihrer neuen
Klassenlehrerin gesagt, als sie aufschreiben sollten, was sie denn gut können.
Die Kids in den Hauptschulen haben freilich Kompetenzen, die in der Schule wenig
oder gar nicht honoriert werden: Kinder, die keinen Satz ordentlich schreiben
und keine zwei Absätze ordentlich vorlesen können, schreiben blind unter der
Bank SMS. Die Zwölfjährige spricht akzentfrei Deutsch und kann ebenso gut
Italienisch und Türkisch; weil ihre Eltern aus diesen Ländern kommen; nur
ordentlich aufschreiben kann sie das nicht, was sie sagt. Aber sie wäscht ihre
Wäsche selbst, weil die sich bei ihrer Mutter immer verfärbt. Andere Kinder
bringen ihre Geschwister morgens in den Kindergarten, müssen auch selbst dafür
sorgen, dass sie ihre Schulsachen dabei haben – Dinge, auf die in
Mittelstandsfamilien die Eltern achten. Perspektiven bietet diesen bemerkenswert
selbständigen Kindern die Hauptschule nicht; sie sind ein Stigma. Nur eine
Minderheit der Abgänger ergattert einen Ausbildungsplatz.
Eine steigende Zahl von Kindern wächst in Armut auf, hier in Berlin lebt jedes
sechste Kind vom Sozialamt; Soziologen reden von der Infantilisierung der Armut,
und sie wissen: Armut ist erblich. Es ist das Eingeständnis notwenig, dass es
eine neue Armut und eine neue Unterschicht gibt, die sich nicht mit den nach
PISA geforderten Strukturreformen selbst befreit. Mit ein paar neuen Lehrstühlen
für Didaktik ist es da nicht getan. Man wird die Schule zur
Befreiungseinrichtung aus den Milieus der neuen Unterschicht machen müssen, und
die Ganztagsschule wird weniger ein Zugeständnis an die werktätigen Eltern der
Mittelschicht als eine Art Internat für Kinder aus Unterschichten und sozialen
Risikogruppen sein müssen. Die neue soziale Frage braucht eine neue schulische
Antwort: Die Schule ist der Ort der Schicksalskorrektur. Sie muss dafür sorgen,
dass unsere Gesellschaft integriert, nicht ausgrenzt.
Seit einem guten Jahr ist das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz in Kraft. Es
ist gut, dass wir dieses Gesetz haben. Es sollte, so wurde es einst angekündigt,
einen großen Teppich weben, auf dem Integration stattfinden kann. Nun ist eine
Art Topflappen daraus geworden. Aber was hülfe der größte und schönste Teppich,
wenn die Gesellschaft nicht bereit ist, ihn auszurollen? Diese Bereitschaft kann
man nicht per Gesetz verordnen. Sie muss wachsen. Wir reden leider fast
ausschließlich über die Probleme der Einwanderung; aber innere Sicherheit ist
nicht alles. Eine Politik, die Einwanderer vor allem als Störer begreift, die
die Furcht vor anderen Kulturen weckt, statt sich über den Mehrwert zu freuen
und ihn zu nutzen, schadet letztlich auch der inneren Sicherheit. Die Reichtümer
und Schätze, die Deutschland durch Zuwanderung gewonnen hat – ich meine damit
weniger Monetäres als Kulturelles – machen sich viele gar nicht bewusst.
Multikultur schmeckt hierzulande allen, so lange man sie essen kann. Wäre der
Umsatz der ausländischen Gastsstätten in Deutschland ein Gradmesser für die
Integration der Ausländer in Deutschland – es könnte kaum bessere Werte geben.
Indes: Integration ist nicht die Addition aller Döner-Buden in den deutschen
Fußgängerzonen, Integration ist mehr als das In-Sich-Hineinstopfen von Dingen.
Die einem schmecken und die Annahme von Leistungen, die man gerade braucht. Als
ich Jura studiert habe, und wir im strafrechtlichen Seminar die Probleme
diskutiert haben, die sich durch den Diebstahlsparagrafen im Strafgesetzbuch
ergeben, da sagte mein Professor über einen Dieb, der Nahrungsmittel stiehlt und
sie sofort verputzt, den schönen Satz: „Die Insichnahme ist die intensivste Form
der Ansichnahme.“ Würde dieser Satz auch für die Einwanderungsgesellschaft
gelten – dann wären wir schon erheblich weiter. Einwanderung darf nicht nur in
Gaststätten und Einwohnermeldeämtern statt finden. Aneignung von Einwanderung
sieht anders aus: Sie findet statt an den Schulen, sie zeigt sich in den
Lehrplänen aller Schularten, in den Schulbüchern, sie zeigt sich auf den
Spielplänen der Theater.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Leitkultur in Deutschland sollte eine
Kultur des Zusammenlebens sein: Sie heißt Demokratie. Sie heißt Rechtsstaat. Sie
heißt Grundrechte. Das klingt simpel. Aber der Alltag zeigt, dass es so simpel
nicht ist. Diese Leitkultur fordert viel, nämlich Toleranz von beiden Seiten,
von den Alt- und den Neubürgern – und führt dann zur Integration. Toleranz
bedeutet mitnichten, dass jeder machen kann, was er will. Toleranz heißt auch
nicht Beliebigkeit, heißt nicht, dass man für alles Verständnis haben soll.
Toleranz ist nichts Schrankenloses. Sie kann nur innerhalb klar definierter
Grenzen existieren., Wenn diese Grenzen nicht gesetzt und bewacht werden, wird
aus Wohltat Plage. Innerhalb dieser Grenzen gibt es natürlich Multikulturalität,
und wer sagt, dass sich Multikulturalität, Demokratie und Rechtsstaat nicht
vertrügen, der ist töricht und verzichtet auf eine neue Quelle des Reichtums
dieser Gesellschaft. Toleranz nimmt niemandem seine Religion, seine Kleidung,
seine Lebensgewohnheiten weg,. Toleranz setzt aber voraus, dass die heiligen
Bücher, wie immer sie heißen, ob Bibel oder Koran, nicht über oder gegen die
Grund- und Menschrechte gestellt werden. Das ist die Gefahr, die im religiösen
Fundamentalismus steckt: Dass sie Heilige und Propheten irgendwo herholt und
über den Menschen setzt. Es gibt in dieser Welt keinen höheren Wert als den
Menschen. Wer sich anmaßt, unter Berufung auf eine Religion oder einen Propheten
den einen Menschen den Wert zuzusprechen und den anderen Menschen zu verachten –
dann müssen wir dagegen antreten und streiten.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben? In der Massenarbeitslosigkeit zeigen
sich die Probleme der Ausgrenzung heute am zahlenmächtigsten. Die „Ich-AG“ steht
genau am Beginn der prekären Zone. Das unternehmerische Selbst soll Rettung
bringen auch für all diejenigen, die in Gefahr stehen, den Anschluss zu
verlieren. Wenn das nicht funktioniert, drohen Sturz in die Apathie und die
Hinwendung zum Rechtsextremismus. Aber Exklusion ist kein reines
Arbeitsmarktphänomen. Von sozialer Ausgrenzung bedroht sind auch viele Menschen,
für die sich die Frage nach Arbeit noch nicht oder nicht mehr stellt, zum
Beispiel Kinder und Alte. Es gibt Menschen, die – weil sie Ausländer sind, weil
sie keinen Schulabschluss und keine Ausbildung haben – gar nicht erst ins Spiel
gekommen sind; und es gibt solche, die durch bestimmte Umstände aus dem Spiel
geflogen sind. Es gibt solche, die es nie geschafft haben, und solche, die es
nicht mehr geschafft haben. Es gibt solche, die die überhaupt nichts dafür
können und solche, die sehr wohl etwas dafür können. Die Stärke eines Volkes
misst sich am Wohl der Schwachen.
Das Leben beginnt ungerecht und es endet ungerecht, und dazwischen ist es nicht
viel besser. Der eine wird mit dem silbernen Löffel im Mund geboren, der andere
in der Gosse. Der eine zieht bei der Lotterie der Natur das große Los, der
andere die Niete. Der eine erbt Talent und Durchsetzungskraft, der andere Aids
und Antriebsschwäche. Die Natur ist ein Gerechtigkeitsrisiko. Der eine hat eine
Mutter, die ihn liebt, der andere einen Vater, der ihn hasst. Der eine kriegt
einen klugen Kopf, der andere ein schwaches Herz. Bei der einen folgt einer
behüteten Kindheit eine erfolgreiche Karriere. Den anderen führt sein Weg aus
dem Ghetto direkt ins Gefängnis. Die eine wächst auf mit Büchern, der andere mit
Drogen. Der eine kommt in eine Schule, die ihn stark, der andere in eine, die
ihn kaputt macht. Der eine ist gescheit, aber es fördert ihn keiner; der andere
ist doof, aber man trichtert ihm das Wissen ein. Der eine müht sich und kommt
keinen Schritt voran, der andere müht sich nicht und ist ihm hundert voraus. Der
eine ist sein Leben lang gesund, die andere wird mit einer schweren Behinderung
geboren.
Die besseren Gene hat sich niemand erarbeitet, die bessere Familie auch nicht.
Das Schicksal hat sie ihm zugeteilt. Es hält sich nicht an die Nikomachische
Ethik, an die Sittenlehre also, die Aristoteles nach seinem Sohn Nikomachos
benannt hat. Es teilt ungerecht aus und es gleicht die Ungerechtigkeiten nicht
immer aus. Hier hat der Sozialstaat seine Aufgabe. Er sorgt dafür, dass der
Mensch reale, nicht nur formale Chancen hat. Der Sozialstaat ist, mit Maß und
Ziel, Schicksalskorrektor. Er erschöpft sich also nicht in der Fürsorge für
Benachteiligte, sondern zielt auf den Abbau der strukturellen Ursachen. Madame
de Meuron, die 1980 gestorbene „letzte Patrizierin“ von Bern, sagte einem
Bauern, der sich in der Kirche auf ihren Stuhl verirrt hatte. „Im Himmel sind
wir dann alle gleich, aber hier unten muss Ordnung herrschen“. Ist das die
Ordnung, die wir uns vorstellen? Die Ordnung, die sich der Sozialstaat
vorstellt, ist das nicht.
Exklusion ist ein Modewort, das wird nicht so schnell verschwinden, wie es Moden
sonst tun. Die Geschichte der neuen Exklusion beginnt bei und mit den
Flüchtlingen, das Asyl- das Flüchtlings- und Ausländerrecht war und ist ihr
Exerzierfeld, dort wurden Rechts- und Leistungsverkürzung, Ausgrenzung erstmals
ausprobiert und praktiziert. Bei den Flüchtlingen wurde die Politik der
Entsolidarisierung eingeübt. Erst galt der Flüchtling als ein potentielles
Risiko für die Stabilität des Gemeinwesens. Dann wurden andere Schwache und
Schutzbedürftige, Ausländer, Migranten, Sozialhilfebezieher,
Langzeitarbeitslose, Rentner und die allgemeine Besitzstandsmentalität als
Schuldige an der ökonomischen Misere markiert. Die Politik gegen Asyl und
Asylbewerber hatte einen Gewöhnungseffekt: ein großer und noch wachsender Teil
der Gesellschaft hat die radikalste Form der Ausgrenzung, nämlich die
hunderttausendfache Ausweisung und Abschiebung aus Deutschland, akzeptiert und
goutiert. Das prägt; das lässt mildere Formen der Ausweisung und Abschiebung,
nämlich die Abschiebung innerhalb der Gesellschaft, akzeptabel erscheinen.
Ein Teil der Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, das bestimmte Grundrechte als
Luxus zu betrachten sind. Der Staat betrachtet sie nicht mehr als Gebot, sondern
als Zugabe, die man sich nur in besseren Zeiten leisten könne – und die Zeiten
sind nun mal leider nicht so. Ist das die Gesellschaft, in der wir leben wollen?
Das Betreuungsgesetz, eine der größten legislativen Errungenschaften der letzten
Jahrzehnte, wird finanziell mehr und mehr ausgehungert. „Betreuen statt
entmündigen“, war das Motto – ein gutes Motto für Hunderttausende von Menschen.
Das neue Recht wollte persönliche Betreuung an die Stelle anonymer Verwaltung
und Verwahrung setzen Es hat das alte Vormundschaftsrecht abgelöst, die
Entmündigung abgeschafft und es dem Richter aufgegeben, für die spezifische
Erkrankung eine individuelle Betreuungslösung zu finden. Aber: Es ist immer
weniger Geld dafür da. Ist es womöglich so: Ein Land, das sich vor allem als
Wirtschaftsstandort betrachtet, braucht Menschen, die funktionieren und
produzieren. Tun sie das nicht, dann sollen sie nicht auch noch hohe Kosten
verursachen . . .
Muss man sich schon fragen, wie weit es eigentlich von der Entsorgung des
Betreuungsrechts noch ist bis zur Entsorgung des Betreuten? Bei Aldous Huxley,
in seiner Schönen Neuen Welt, wird beschrieben, wie altgewordene Menschen in
Kliniken entsorgt werden. Sie werden ‚abgeschaltet’ wie alte, verrostete
Maschinen. Kinder werden regelmäßig in diese Entsorgungskliniken geführt und
dort mit Schokolade gefüttert, damit sie sich an den Vorgang des Abschaltens
gewöhnen und für sich akzeptieren lernen, dass das Leben technisch produziert
und technisch beendet wird.
Wir haben diesen Weg schon eingeschlagen? Entspricht der Reproduktionsmedizin
und der pränatalen Diagnostik, die am Beginn des Lebens sortiert, kontrolliert
und entsorgt, die Mechanisierung des Todes am Ende des Lebens, die gleichfalls
sortiert, kontrolliert und gegebenenfalls auch entsorgt? Schlägt so die
allgegenwärtige Marktökonomie in das menschliche Leben zurück, indem sie es
zunehmend als Produkt betrachtet, das der Kontrolle, der Überprüfung, der
Herstellung und der Entsorgung bedarf?
Velma Wallis, eine Frau, die in einer Familie mit dreizehn Kindern in Alaska
aufgewachsen ist, erzählt eine alte indianische Legende, die sie von ihrer
Mutter erzählt bekommen hat.
Zwei alte Frauen heißt ihr Buch, Untertitel ‚eine Legende von Verrat und
Tapferkeit’: Ich erzähle Ihnen diese Geschichte, weil Geschichten nicht nur für
Kinder lehrreich sind. In einem strengen Winter hoch oben im Norden Alaskas wird
ein Nomadenstamm der Athabasken von einer Hungersnot heimgesucht. Das Verlassen
des Winterlagers und die Suche nach neuer Nahrung sollen einen Ausweg bieten.
Wie es das Stammesgesetz vorsieht, beschließt der Häuptling, zwei alte Frauen
als unnütze Esser zurückzulassen. Keiner wagt es, dagegen aufzubegehren, nicht
einmal die Tochter der einen; auch sie muss sich bestürzt dem Beschluss beugen.
Als die beiden Frauen allein und verlassen in der Wildnis auf sich gestellt
wind, geschieht das Erstaunliche: Statt aufzugeben, finden sie den Willen und
den Mut, sich der Herausforderung zu stellen. Der anfängliche Zorn weicht dem
puren Willen zum Überleben. Nach und nach erinnern sie sich der Fähigkeiten, die
sie früher einmal besessen, die sie aber im Lauf der Jahre vergessen hatten, als
die Jüngeren die Nahrungsbeschaffung übernahmen. Am Schluss ist es dann so, dass
der Stamm am Verhungern ist und auf die Hilfe der ausgestoßenen alten Frauen
angewiesen, die geschickt vorgesorgt und ein Vorratslager angelegt haben. Die
Geschichte endet mit den ein wenig märchenhaften, vielleicht auch schwülstigen
Zeilen:
‚Es folgten noch manche bittere Zeiten der Not, denn im kalten Land des Nordens
kann es gar nicht anders sein. Doch das Volk hielt sein Versprechen. Nie wieder
ließ die Gruppe irgendeines ihrer alten Mitglieder im Stich. Sie hatte eine
Lektion erhalten, und das von zwei Menschen, die sie fortan zu lieben und zu
umsorgen lernten, bis jede von ihnen als glückliche alte Frau starb.’
Märchen oder nicht –es ist eine Geschichte, die vom Wert der Erfahrung der Alten
erzählt, es ist auch eine Geschichte gegen den Jugendlichkeitswahn, sozusagen
eine alte Version des Fernsehfilms Der große Bellheim mit Mario Adorf. Die Moral
von der Geschichte: Unterschätzt die Alten nicht.
Es geht um das Bild der Gesellschaft von morgen. In zwanzig Jahren werden die
geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Die Sozialsysteme werden dann aufs
Äußerste strapaziert. Das ist seit vielen Jahren bekannt. Aber wie wird sich das
Lebensgefühl ändern? Was bedeutet es für die Verteilungsdebatte in der
Bundesrepublik, wenn mehr als ein Drittel der Einwohner über sechzig Jahre alt
ist? Werden die Jungen grausame Altenwitze machen, um sich zumindest verbal
dafür zu rächen, dass so viele Alte so alt werden? Wer wird uns anlächeln, wenn
wir achtzig sind? Man gehe auf die Straßen und zähle die wenigen Kinder. Der
Feuilletonist in meiner Zeitung, der Süddeutschen Zeitung schrieb dazu: ‚ir
werden die Welt hässlich machen, wenn wir lebensgierige alte Säcke geworden
sind.’
Lebensgier? Da übertreibt der Feuilletonist. Er sollte sich einmal in den
Altenheimen umschauen, wie es dort mit der Lebensgier aussieht. Ist es
Lebensgier, etwas dagegen zu haben, dass alte Menschen nach Schema F in der
geschlossenen Anstalt verschwinden? Ist es Lebensgier, wenn ein alter Mensch
etwas dagegen hat, dass ihm Bauchgurte angelegt werden, nur damit er aus dem Weg
ist? Ist es Lebensgier, wenn man am Lebensabend ein Leben in Würde führen will?
Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen. Das gilt nicht nur in
der Schweiz.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Es braucht neue Formen der Solidarität, es braucht neue Formen des Widerstandes,
es braucht eine Gegenbewegung gegen die Ökonomisierung des gesamten Lebens. Wie
kann das ausschauen? Märchen beflügeln die Phantasie. Deshalb soll die
Anstiftung zur Solidarität und zur Gemeinsamkeit mit einem Märchen enden. Es
ist, wie es Märchen so oft sind, sehr drastisch – aber es handelt davon, wie
vermeintlich Schwache sich gegen eine Gefahr verteidigen und wie man das
miteinander schafft. Es ist ein ziemlich unbekanntes Märchen der Brüder Grimm.
Die Gefahr, gegen die sie sich verteidigen, wird verkörpert durch einen Herrn
Korbes.
Da taten sich also Hähnchen und Hühnchen, der Mühlstein, ein Ei, eine Ente, eine
Stecknadel und eine Nähnadel zusammen: „Wie sie zu dem Herrn Korbes seinem Haus
kamen, war der Herr Korbes nicht da. Die Mäuschen fuhren den Wagen in die
Remise, das Hähnchen flog mit dem Hühnchen auf eine Stange, die Katze setzte
sich in den Kamin, die Ente in die Bornstande, die Stecknadel setzte sich auf
ein Stuhlkissen, die Nähnadel ins Kopfkissen im Bett, der Mühlenstein legte sich
über die Türe und das Ei wickelte sich in ein Handtuch. Da kam der Herr Korbes
nach Hause, ging an den Kamin und wollte Feuer anmachen. Da warf ihm die Katze
Asche ins Gesicht. Er ging geschwind in die Küche und wollte sich abwaschen. Wie
er an die Bornstande kam, spritzte ihm die Ente Wasser ins Gesicht. Als er sich
abtrocknen wollte, rollte ihm das Ei aus dem Handtuch entgegen, ging entzwei und
klebte ihm die Augen zu. Er wollte sich ruhen und setzte sich auf den Stuhl, da
stach ihn die Stecknadel. Darüber wurde er ganz verdrießlich und ging ins Bett.
Und wie er den Kopf aufs Kissen legte, da stach ihn die Nähnadel. Da war es so
bös und toll, dass er zum Haus hinauslaufen wollte. Wie er aber an die Tür kam,
sprang der Mühlstein herunter und schlug ihn tot.“
Das ist nun freilich ein etwas befremdliches Ende. Die Fabel soll auch nicht als
Aufruf zur Gewalt für einen guten Zweck missverstanden werden. Es geht in diesem
Märchen um den Wert der gemeinsamen Aktion. Der Herr Korbes, er ist die
Verkörperung der Gefahren, die einer demokratischen Gesellschaft drohen. Und die
Geschichte zeigt, wie man sich gemeinsam dagegen wehrt, was solidarische Aktion
vermag. Schreiben wir das Ende des Grimmschen Märchens um: Der Herr Korbes soll
bitte nicht erschlagen, er soll nur vertrieben werden aus dem Haus der
Demokratie - vertreiben wir die Entsolidarisierung, vertreiben wir die
Radikalökonomisierung, die Rücksichtslosigkeit, den Rassismus, den
Ausländerhass, vertreiben wir den neuen Midas.
So – und jetzt müsste jeder von uns nur noch wissen, ob er mit seinen
Möglichkeiten eher die Stecknadel, eher das Ei oder die Ente ist. Die eigene
Rolle und die eigene Aufgabe zu finden, damit fangen der Widerstand und die
gemeinsame Aktion an.
Dr. jur. Heribert Prantl ist Leiter der innenpolitischen Redaktion der
Süddeutschen Zeitung
www.diegesellschafter.de