Kleine Einführung
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°  Petitionssitzung
zum Bedingungslosen Grundeinkommen
 







Petitionssitzung zum Bedingungslosen Grundeinkommen



Lange hat es gedauert, doch im November war es endlich soweit. Der Petitionsausschuss des Bundestages beschäftigte sich am 8. November mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen, das vor mehr als zwei Jahren von Susanne Wiest als Petition eingereicht worden war.

Die öffentliche Ausschusssitzung des Petitionsausschusses fand im Paul-Löbe-Haus in Berlin statt. Susanne Wiest, die mit in der Runde saß, wurde zu Anfang gebeten, ihr Anliegen zu beschreiben, wofür sie zehn Minuten Zeit hatte. „Warum gehen wir Menschen so miteinander um, wir sind doch eine Gemeinschaft“, fing sie ihre Rede an, wobei sie sich auf Druck, Zwang und Mangel des jetzigen Erwerbstätigensystems bezog. Dann beschrieb sie die Vorzüge des bedingungslosen Grundeinkommens, das dem Menschen bis zu seinem Tod bedingungslos zusteht. Dieses, so sagte sie, erlaube es uns Menschen, mit sehr viel mehr Spielraum in berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten hineinzugehen, sich zum Beispiel selbstständig zu machen ohne den finanziellen Druck zu haben, oder auszusteigen um jemanden zu pflegen oder zu einem Zeitpunkt in Rente zu gehen, den man selbst wählt. Die Einführung des Grundeinkommens lichte auch den jetzigen Steuerdschungel, fügte sie an. Die Finanzierung liefe über eine höhere Ausgaben- bzw. Konsumbesteuerung, während alle anderen Steuern und Sozialausgaben wegfallen würden.

Susanne Wiest versuchte bei ihrer Ausführung nicht, die zehn Minuten mit so viel Informationen wie möglich zu füllen, sondern mit Herz und Einfühlungsvermögen zu beschreiben, was die wesentlichsten Vorzüge des Grundeinkommens wären. Auf diese Weise beantwortete sie auch die Fragen, die anschließend an sie gestellt wurden.

Die erste Frage aus dem Ausschuss lautete, wie sich das Grundeinkommen auf die Motivation der Menschen und auf den jetzigen Sozialstaat sowie den Arbeitsmarkt auswirkt. Dazu sagte Susanne Wiest, dass vielmehr die Möglichkeit steigen werde, sich in die Gemeinschaft einzubringen, weil jeder frei wäre, dies zu tun, während das jetzige System Druck ausübt und somit zu einer Lähmung führt. Das Grundeinkommen, so führte sie aus, schaffe Raum für die Möglichkeit, sich umzuorientieren, ohne in dieser Übergangszeit gleich das Einkommen zu verlieren. Es führe zu mehr freier Entfaltung. Jeder würde letztendlich seine Arbeit weitermachen und nicht anfangen, auf der faulen Haut zu liegen. Heutzutage habe jeder Pausen und Brüche in seiner Biografie, betonte sie, und das Grundeinkommen stütze das, man nähme es zu jeder Tätigkeit mit. Einer der Ausschussmitglieder stellte ihr die Frage, ob man dann nicht auch die jetzigen Alg 2- und Hartz IV-Bezüge so oder so ähnlich handhaben könnte. Susanne Wiest erwiderte, dass das jetzige System nicht bedingungslos sei und Druck ausübe, man würde es nur dann bekommen, wenn man Bedürftigkeit nachweise. Das Grundeinkommen stünde aber allen Menschen bedingungslos zu.

Auf die Frage, ob man das Grundeinkommen erstmal testen sollte, bevor man es einführt, sagte sie, dass es ein gutes System sei, und dass es gut wäre, wenn man es nach und nach in das jetzige System einbaut. Wichtig sei es, darüber zu sprechen. Den Vorschlag, eine Arbeitsgruppe zu bilden, begrüßte sie. Der Sozialstaat sei ebenfalls ein gutes System gewesen, aber jetzt stünden wir an einem anderen Punkt, fügte sie an. Daher sei es richtig, sich Stück für Stück in ein neues System einzuarbeiten.

Die nächste Frage zielte auf den Gedanken ab, ob es nicht ungerecht wäre, dass auch Gutverdienende in den Genuss des Grundeinkommens kämen. „Gleichbehandlung ist nicht ungerecht“ lautete ihre weise Antwort. Einer fragte, warum sie nicht auf den Mindestlohn eingeht. Diese Frage stelle sich nicht, sagte sie, denn mit dem Grundeinkommen rechne man ganz anders und gehe anders an die Existenzsicherung heran. Auch die von Susanne Wiest angegebene Höhe des Grundeinkommens von 1500,- für Erwachsene und 1000,- für Kinder war Gegenstand zweier Fragen, denn andere Entwürfe (z.B. von Dieter Althaus) setzen andere, niedrigere Beträge an. Dazu rechnete sie kurz vor, was ein Mensch für Miete, Kultur, Mobilität usw. braucht. Es müsse Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichern, betonte sie, und sie versicherte, dass sich mehr Leute initiativ für ehrenamtliche Tätigkeiten anmelden werden, weil der Kampf um die Existenz nicht mehr da sei. Das Grundeinkommen sei ein Bürgerrecht, unterstrich sie. Gerade alleinerziehende Mütter, die es oft sehr schwer haben, hätten dann nicht die Probleme, die sie heute haben.

Eine Frage drehte sich darum, wie Susanne Wiest, die ja inzwischen auch Direktkandidatin (sie gehört keiner Partei an) im Wahlkreis Greifswald-Demmin-Ostvorpommern ist, dazu kommt, solch eine Petition zu machen und was für Menschen diesem Aufruf, mitzuzeichnen, gefolgt sind, denn die Resonanz darauf sei ja sehr hoch gewesen (es waren etwa 53.000 Mitzeichner). „Weil das Thema Kraft hat und viele Leute bewegt“, antwortete sie. „Und weil es etwas Konstruktives für die Zukunft ist.“ Eine letzte Frage drehte sich darum, wie das Grundeinkommen finanziert werden soll. Die Konsumsteuer, die dafür nötig wäre, so Wiest, müsste man, was die Höhe betrifft, berechnen, das könnten andere machen, die sich mit Finanzen auskennen.

Auch ein Vertreter der Bundesregierung vertrat seine Meinung. Er sagte, es gäbe keine Notwendigkeit, am jetzigen Sozialstaat etwas zu verändern, da die Bundesregierung gerade jetzt alles dafür tue, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Ein gänzlich neues System aufzubauen, sähe er nicht. Dagegen sagte Susanne Wiest, dass die Menschen heutzutage niemanden mehr brauchen, der sie an die Hand nimmt, um sie in Arbeit zu bringen. Doch stattdessen stecke man sie in Jobs oder Beschäftigungsmaßnahmen, die ihnen gar nicht liegen. Sie wies auf den Druck hin, unter dem die Menschen stehen. „Wir haben doch genug Reichtum, um das anders zu organisieren“, sagte sie. Dagegen sprachen sich zwei dazu aus, dass es schwierig sei, das System umzustellen. „Natürlich muss man rechnen und organisieren“, sagte sie, „aber vor alledem steht erstmal die Idee und der Entschluss, es zu tun.“ Erst nach dieser Absicht käme der nächste Schritt, in dem man überlegt, wie man es finanzieren kann, wie beim Hausbau. Es sei schade, sagte sie, dass viele Ideen immer gleich mit der Finanzkeule zerschlagen würden. Es gehe ja vielmehr um das Wohlergehen der Bürger.

Die Reaktionen der Petitionsausschussmitglieder waren überaus positiv, da Susanne Wiest mit ihrer natürlichen Herangehensweise sehr sympathisch wirkte, sich konsequent an ihr Konzept hielt und gleichzeitig immer aus dem Herzen heraus sprach. Manchmal fehlten ihr die Worte, da sie nichts ablas und bei jeder Frage – das sah man – ihr Herz befragte. Es war gerade diese Authentizität, mit der sie das Grundeinkommen wunderbar repräsentierte.

Eine Entscheidung wurde am dem Tag noch nicht getroffen. Dies geschieht erst in einer der nächsten Sitzungen.

Zwei Tage vorher hatte es in Berlin eine Demonstration für das Bedingungslose Grundeinkommen gegeben (Foto). Etwa 2000 Menschen waren zum Brandenburger Tor gekommen, um für die Einführung des Grundeinkommens einzustehen. Auch die „Violetten“ waren vor Ort. Eine Leserin berichtete außerdem, dass es am 15. November sogar einen Radio-Beitrag auf SWR3 zum Bedingungslosen Grundeinkommen gab.


Laut einer Umfrage der „Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung“ zur Akzeptanz des Grundeinkommens, kennt jeder zweite die Grundeinkommens-Idee und steht dem positiv gegenüber. Einer Forsa-Umfrage zufolge wünschen sich 67 Prozent eine Änderung am bestehenden Sozialsystem. Eine weitere Umfrage zur Höhe des Grundeinkommens ergab, dass die Mehrheit zu einem höheren Grundeinkommen tendiert, das etwa bei 1000,- bis 1500,- Euro monatlich liegt. Die wenigsten sind für Niedrigbeträge wie 800,- Euro. Letzterer Betrag ist noch über dem, was Dieter Althaus (CDU) als „Solidarisches Bürgergeld“ empfiehlt. Der nämlich geht davon aus, dass 600, - ausreichen, von denen 200,- verpflichtend in eine Kranken- und Pflegeversicherung eingezahlt werden müssten. Für die Miete gäbe es Extrageld. Wer über einem gewissen Einkommen liegt, bekomme es nicht überwiesen sondern bei der Steuererklärung angerechnet. Finanziert würde es über eine Einkommenssteuer von 40 Prozent. Nach dem Konzept von Götz Werner erhielte jeder Bürger 1000 Euro monatlich, und finanzieren würde man dies über eine Konsumsteuer von bis zu 50 Prozent. Für ihn ist Hartz IV ein „offener Strafvollzug“, der die Grundrechte des Bürgers auf freie Berufs- und Wohnortwahl einschränkt. „Es geht um Sinnmaximierung und nicht mehr um Einkommensmaximierung“, sagte er kürzlich. Auch er ist der Meinung, dass damit die Faulenzerei nicht gefördert werde. Im Gegenteil: Der Mensch strebt immer nach etwas Höherem, nach Weiterentwicklung – wenn man ihn lässt.

Das Thema Grundeinkommen rückt also immer mehr in den Fokus des Kollektivbewusstseins.

Die gesamte Sitzung kann man sich unter http://grundeinkommenimbundestag.blogspot.com ansehen.

 

© S. Kreth, Quellen: http://www.unternimm-die-zukunft.de; http://grundeinkom menimbundestag.blogspot.com; www.taz.de; „Dieter Althaus: Am Hartz-IV-System stimmt etwas nicht“, Weser-Kurier 28.11.10; „Geld fürs Nichtstun – gerecht oder ungerecht?“, Weser-Kurier 28.11.10. (erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 75, Dez. 2010/Jan. 2011)


www.lichtsprache-online.de
 


Weitere Artikel zum Geld und zum Bedingungslosen Grundeinkommen:

Grundeinkommen für alle (erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 61)

Der Fehler im Geldsystem (erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 70)

zur Geld-Serie (Teil 1 - 9) (erschienen in früheren Ausgaben der LICHTSPRACHE)

Die Energie des Geldes (erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 51)

Alternativen zum Geld (erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 39)

Das Ende der Arbeitsgesellschaft (erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 37)

Die Entwertung des Geldes (erschienen in LICHTSPRACHE Nr. 33)



 

 

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