Freizeitpark Efteling
Was nun,
Rumpelstilzchen?
"Das hat dir der
Teufel..." Rumpelstilzchen stampft, jetzt schon einige Meter unter der
Erde, immer noch wütend mit dem Fuß auf. In seinem Zorn hatte es bis
eben gar nicht bemerkt, dass ihm der Fuß richtig weh tat.
Und wer war
schuld an allem? Natürlich diese Marie, die noch nicht einmal Stroh zu
Gold spinnen konnte! Und dieser verrückte Königssohn, der Tag und Nacht
durch den Wald kriechen musste, dort wo er am dichtesten ist, wo sich
Fuchs und Hase gute Nacht sagen und wo vor allem es selbst sich
vollkommen sicher fühlte. So sicher, dass es sich in seiner Vorfreude
auf das Kind dazu hatte hinreißen lassen, seinen Namen auszuplaudern.
Immer noch wütend reibt es sich den schmerzenden, geschwollenen Knöchel.
"Äh, häm...,
wenn ich dazu mal was sagen dürfte...?"
Rumpelstilzchen
fuhr herum. Schon wieder so ein unerkannter Zuhörer! Ist man den
nirgends unbeobachtet? Verdammt, woher kam die Stimme?
"Jetzt zeig dich
schon, wenn du mir unbedingt gute Ratschläge geben musst! Wer bist du
überhaupt?"
"Ich bin
Heribert, der Zwerg." Jetzt entdeckte Rumpelstilzchen das kleine
Männchen, das nun in den Lichtschein einer Kienspanlampe trat. "Ich
wohne hier und du hast meine Wohnung kaputt gemacht." Er zeigte auf das
große Loch in der Höhlendecke. "Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Sag
mir lieber, warum du unbedingt das Kind der Königin haben willst."
"Warum, warum?",
braust Rumpelstilzchen jetzt wieder auf. "Es gehört mir eben. Sie hat es
mir versprochen."
"Ja, ich weiß.
In ihrer großen Not hat sie es dir versprochen, weil sie nicht mehr aus
noch ein wusste und weil sie ihren Vater schützen wollte. Und du hast
die Situation bösartig ausgenutzt. Aber du hast mir immer noch nicht
erzählt, wozu du das Kind unbedingt haben willst."
"Na ja...",
Rumpelstilzchen knetet jetzt verlegen seine Hände. Ich wollte... ich
wollte doch...", stottert Rumpelstilzchen jetzt leise vor sich hin.
"Ja?" Heribert
wird ein wenig ungeduldig.
Rumpelstilzchen
wird jetzt rot bis unter die Haarwurzeln. "Na ja, ich wollte eben gern
etwas Lebendiges, etwas zum Liebhaben. Und ich wollte auch liebgehabt
werden." Der letzte Satz ist fast geflüstert, aber Heribert hat ihn doch
verstanden.
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"Hm. Hätte ich
dir altem Ekel gar nicht zugetraut. Und wo wolltest du mit ihm hin? Wie
wolltest du es ernähren? Dir ist schon klar, dass man ein Menschenkind
nicht einfach so auf den Waldboden legen kann und dass du einen Säugling
nicht mit Beeren und Wurzeln ernähren kannst, oder?"
"Darüber habe
ich noch gar nicht nachgedacht.", gibt Rumpelstilzchen jetzt kleinlaut
zu. Nun sitzt es wie ein Häufchen Unglück auf dem Boden, zieht seinen
Schuh aus und betrachtet seinen geschwollenen Fuß.
"Vielleicht kann
ich dir ja helfen.", lässt sich Heribert jetzt vernehmen.
"Ja, verstehst
du denn etwas von Heilkunde?"
"Selbstverständlich! Wobei dein Fuß das kleinere Problem ist."
"Wieso?
Ansonsten bin ich doch kerngesund.", kommt es nun wieder etwas
überheblich von Rumpelstilzchen.
"So? Und was ist
mit deinem Herzen? Hast du noch nicht gemerkt, dass es schon fast ganz
und gar versteinert ist?"
Unwillkürlich
greift Rumpelstilzchen in seine Herzgegend.
"Und? Spürst du
es klopfen?", will Heribert wissen.
"Klar! ...
Nnnnaja....eigentlich... kaum. Meinst du, da kannst du was machen?",
fragt Rumpelstilzchen jetzt sorgenvoll.
"Ich kann da
garantiert gar nichts machen."
Rumpelstilzchen
sackt in sich zusammen. "Aber du hast doch gesagt, dass du mir helfen
kannst."
"Helfen will ich
dir ja auch. Aber dein Herz kannst du nur aus eigener Kraft heilen."
"Da will ich
gleich mit anfangen. Wie sieht die Therapie aus? Muss ich Kräuter
auflegen oder heilenden Tee trinken? Oder - nein, sag nicht ich solle
Bäder machen! Ich hasse Wasser!"
"Da haben wir
doch schon den ersten Anhaltspunkt. Beginne damit, dir das Hassen
abzugewöhnen."
"Ja, wenn ich
Wasser doch aber nun mal nicht leiden kann?"
"Ich weiß, ich
weiß, man kann es ja riechen. Du stinkst. Aber keine Sorge, Heilbäder
musst du nicht nehmen. Waschen reicht für`s Erste. Und wenn du dann
blitzblank bist, wirst du dem Königspaar einen Besuch abstatten."
"Nochmal ins
Schloss? Nie wieder! Was soll ich dort noch? Man wird mich verjagen,
vielleicht sogar die Hunde auf mich hetzen. Oder, was noch viel
schlimmer ist, mich verspotten. Nein, das habe ich mir geschworen, da
wird mich keiner mehr sehen."
"Tja, wenn es
dir egal ist, einen Stein in deiner Brust zu haben..."
"Ist es denn
wirklich nötig? Ich meine, gibt es denn gar keine andere Möglichkeit?"
"Um sich zu
entschuldigen, muss man den betreffenden Personen schon gegenübertreten,
meine ich."
"Ent.......schuldigen?!",
Rumpelstilzchen schnappt nach Luft. "Entschuldigen? Bist du denn von
allen guten Geistern verlassen? Ich und entschuldigen? Niemals!"
"Also doch
lieber ein Herz aus Stein.", stellt Heribert unbeirrt fest.
"Hm, was sagt
man denn da so, wenn man sich entschuldigt? Das habe ich nämlich noch
nie gemacht."
"Das glaube ich
dir auf`s Wort. Du musst halt sagen, dass es dir leid tut, das Kind
verlangt zu haben. Ja, und auch, dass du von Marie Ring und Halsband
genommen hast, obwohl es doch die einzigen Erinnerungsstücke an ihre
Mutter sind. Und natürlich musst du ihr beides zurück geben."
"Ring und
Halsband waren mein Lohn. Schließlich habe ich ihr geholfen, Stroh zu
Gold zu spinnen, schon vergessen?"
"Nun gut, du
musst es selbst wissen. Es ist schließlich dein Herz. Aber wenn du den
Schmuck behältst, bringst du dich um einen viel wertvolleren Lohn."
"Ich kann es ja
alles versuchen. Hilfst du mir?"
"Sehr gern.
Beginnen wir gleich mit dem Waschen. Dort steht der Zuber. Das Wasser
ist sogar warm."
Vorsichtig
taucht Rumpelstilzchen seinen Zeigefinger in das Wasser ein und betupft
damit seine Wange.
"So geht das
nicht. Runter mit den Klamotten!"
Und dann greift
Heribert zu Schwamm und Seife und schrubbt ohne Erbarmen das zappelnde
und schreiende Rumpelstilzchen von Kopf bis Fuß.
"Ach ja, dein
Fuß. Leg dich hier auf`s Stroh. Ich mache dir einen Kräuterwickel. Bis
ich deine Sachen gewaschen und getrocknet habe hat er seine Wirkung
getan."
Die viele
Aufregung, die ungewohnte Prozedur und der Duft der Kräuter lassen
Rumpelstilzchen müde werden. Ohne es zu merken, gleitet es in einen
tiefen, traumlosen Schlaf. Als es endlich erwacht, steht Heribert mit
dem frisch gewaschenen Wams vor ihm.
"Nun aber los!
Du hast noch viel vor dir. Denk an dein Herz."
Es scheint, dass
Heribert mit dem Schmutz auch die Boshaftigkeit von dem Kobold geputzt
hat, denn der schafft es jetzt sogar, sich bei ihm zu bedanken.
"Und wie komme
ich jetzt ins Schloss? Ich kann ja wohl schlecht auf dem Weg zurück, auf
dem ich gekommen bin."
"Untersteh`
dich! Ich habe das Loch im Dach gerade notdürftig geflickt. Du wirst
natürlich durch das Schlosstor gehen müssen und die Wachen um eine
Audienz beim Königspaar bitten."
"Oh je, ob die
mich reinlassen?", flüstert Rumpelstilzchen und will sich zögerlich auf
den Weg machen.
"Halt! Vergiss
den Schmuck für Marie nicht. Hier, ich habe ihn vor dem Waschen aus
deiner Hosentasche genommen."
Rumpelstilzchens Schritte werden immer kürzer und langsamer, je näher
er dem Schlosstor kommt. Er, der einst so gefürchtete Kobold, hat nun
selbst Angst. Aber der Gedanke an ein steinernes Herz lässt ihn dann
doch weiter voranschreiten.
"Wohin des
Weges, kleiner Mann?", fragt der Wachsoldat freundlich.
"Ich muss
unbedingt mit dem Königspaar sprechen. Bitte." Das letzte Wort kam ihm
viel leichter über die Lippen, als er gedacht hatte.
"Gut, unser Page
Heribert wird dich geleiten.", sagt der Soldat und zeigt auf einen
Knaben.
"Heribert? So
heißt mein Freund," Rumpelstilzchen ist ganz stolz darauf, jemanden
seinen Freund nennen zu dürfen "aber er ist ein Zwerg.", vollendet es
seinen Satz.
"Ich weiß.",
antwortet der Page. "Er ist mein Gevatter. Von ihm habe ich meinen Namen
bekommen."
Im Schloss wird
Rumpelstilzchen nun in die Räume des Königs und der Königin geführt.
Nun, wo es vor ihnen steht, fängt es wieder an zu stottern. Beide haben
es sofort erkannt und besorgt nach den Wachen gerufen.
"Was willst du
noch?", herrscht der König es an. "Hast du nicht schon genug Unheil
angerichtet?"
"Ich.... ich....mmmmöchte
mich entschuldigen." Endlich war es heraus!
Verblüfft
schauen die beiden auf den Kobold herunter.
Rumpelstilzchen
kramt verlegen in seiner Hosentasche und drückt der erstaunten Marie
wortlos Ring und Halsband in die Hand. Als es sich umdreht, um das
Schloss zu verlassen, ruft sie: "Warte! Ich glaube dir jetzt, dass es
dir leid tut. Aber sag, warum wolltest du unser Kind?"
Rumpelstilzchen
holt tief Luft bevor es leise antwortet: "Ich wollte so gern auch von
jemandem lieb gehabt werden."
Da erhebt sich
der König. "Rumpelstilzchen, was hältst du davon, der Gevatter unseres
Kindes zu werden?"
Und plötzlich
spürt der kleine Kobold, wie es ihm ganz warm in der Brust wird und sein
Herz kräftig zu schlagen beginnt.
"Gern!", strahlt
Rumpelstilzchen, "Aber ihr müsst mir eins versprechen. Gebt ihm nicht
meinen Namen."
Lore Wieshammer
19.11.2012