Vielen Primarschülern
fehlt der Bezug zur Natur. In den Schülergärten lernen jedes Jahr 600
von ihnen, was eine Aubergine ist oder wie ein Regenwurm aussieht.
Tomaten, Bohnen, Rüebli, Kohlrabi, Gurken und Zucchetti:
Es gibt fast nichts, was Kinder nicht als Ernte aus Schülergärten nach
Hause tragen. Undwas noch wichtiger ist: Die Schulkinder wissen danach,
was eine Aubergine ist, wie Krautstiel aussieht und Randen schmecken.
«Das Nichtwissen über Obst und Gemüse hat in den letzten Jahren stark
zugenommen. Das ist deprimierend und beunruhigt», sagt Cornelia Zanetti,
die seit 2006 den Schülergarten im Schulhaus Untermoos leitet. Immer
öfter fehle den Stadtkindern der Bezug zur Natur. Sie weiss auch warum:
Viele gamen am Computer oder vertreiben sich ihre Freizeit auf Facebook.
«Es gibt Kinder, die waren noch nie im Wald und haben keine Ahnung, wie
ein Regenwurm aussieht.»
Den Kindern die Natur wieder näherzubringen ist eins der
heutigen Ziele der Gesellschaft für Schülergärten Zürich. Ging es bei
der Gründung vor 100 Jahren in erster Linie darum, Kinder vor der
Verwahrlosung zu bewahren, will die Gesellschaft heute in den 23
Stadtgärten Wissen rund um die Natur vermitteln.
Das Angebot ist bei den Primarschülern so beliebt, dass
mehr Anmeldungen vorliegen als effektiv berücksichtigt werden können.
Zanetti: «Es gibt auch Absagen. Doch die Schulungsqualität ist in
kleinen Gruppen einfach besser.»
Zanetti versucht, das Thema Garten und Gärtnern
spielerisch zu vermitteln. «Der Schülergarten ist kein Klassenzimmer, in
dem jeder vor einer Wandtafel steht.» Ihr oberstes Ziel sei es, den
Schülerinnen und Schülern ein Gespür für die Natur zu geben. So lernen
sie beispielsweise unter Anleitung, wie man pflanzt, giesst und jätet.
Zuerst muss das Unkraut weg Ein Augenschein im Schulhaus Untermoos
zeigt: Die Kinder sind mit Feuereifer an der Arbeit, obwohl sich der
Garten als brauner Fleck präsentiert. Die Saison hat begonnen, noch
blühen keine Blumen. Es steht das Setzen von Kartoffeln auf dem
Programm. «Voll easy, die Pflanzerei macht mir Spass. Ich komme immer
vorbei, wenn es geht», sagt Tamara (9), die bereits das zweite Jahr im
Schülergarten mitmacht und ihren Kolleginnen schon einige Tricks
verraten kann. Sie sagt: «Diese Herdöpfel schmecken besser als gekauftes
Gemüse.» Weniger Freude verspürt hingegen Raylin (9). Er hat Dreck nicht
so gern und weiss: Zuerst muss Unkraut, das den Winter überlebt hat,
gejätet werden, und «das mache ich überhaupt nicht gerne. Von dieser
Bückerei wird mir immer ganz schwindlig». Die 2.- bis 4.-Kläss- 1er
stärken sich noch mit einem Znüni und stehen dann vor ihren Beeten.
Cornelia Zanetti erklärt, wie man Kartoffeln richtig setzt und auf was
geachtet werden muss. Sie hilft, wo sie kann, gibt Anweisungen und
schimpft auch einmal, wenn etwas halbherzig gemacht wird. «Manchmal ist
es nicht so einfach, wenn alle nur herumturnen statt zuzuhören.
Die Kinder graben fleissig Löcher und buddeln sie sich
gegenseitig wieder zu. Gross ist das Geschrei, als ein Mädchen einen
Wurm entdeckt und nach einem Jungen wirft. Aron lässt sich nicht
ablenken. Konzentriert kauert er am Boden und wühlt mit den Händen ein
ungefähr 20 Zentimeter tiefes Loch in die Erde. In den Schülergärten
geschieht der Anbau mit Muskelkraft und ohne chemische Beschleuniger.
Die Stunde im Schülergarten ist wie im Flug vergangen.
Die Kinder sind gespannt, wie die Herdöpfel unter der Erde heranwachsen.
Tim, ein kleiner Junge mit blonden Haaren, ist skeptisch: «Ich weiss
nicht, ob da was Gescheites wächst. Ich hätte lieber eine Zucchetti, die
ich nach Hause nehmen könnte.»