Fast nirgendwo so viele Zwangseinweisungen wie in der Schweiz

Nicht erst seit Corona:
Fachleute kritisieren einen zu laxen Umgang mit Grundrechten. Basel ist vorbildlicher als Zürich.

15982 Menschen wurden im Jahr 2020 in der Schweiz gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Das sind rund 1600 mehr Zwangseinweisungen als noch im Jahr zuvor und über 2000 mehr als im Vor-Corona-Jahr 2018. Der Trend zu mehr Zwangseinweisungen ist auch in anderen Ländern zu beobachten. Fachleute erklären das mit einer Zunahme von älteren, dementen Personen sowie mit der Pandemie.

Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass in der Schweiz relativ viele Zwangseinweisungen ausgesprochen werden: 1,8 pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner waren es 2020 gemäss den Zahlen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums Obsan. Das Wissenschaftsmagazin The Lancet hat 2019 die Daten verschiedener Länder ausgewertet. Dabei haben – im Verhältnis zur Bevölkerung – nur zwei der 19 untersuchten Länder mehr Menschen gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen: Österreich und Australien. Am wenigsten waren es in Italien und Portugal mit nur einem Zehntel so vielen Zwangseinweisungen. Generell kam es in eher reichen Ländern mit hoher Immigrationsrate zu mehr Zwangseinweisungen.

 

Traumatisierend und entwürdigend
«Die Anzahl an Zwangseinweisungen muss massiv reduziert werden», fordert Caroline Gurtner von Pro Mente Sana, der Stiftung für psychische Gesundheit. Viele Betroffene würden den Freiheitsentzug, oft unter Polizeigewalt, als traumatisierend, entwürdigend, teilweise beschämend erleben. «Manche brauchen jahrelang, um diese Situationen aufzuarbeiten.» Die Pro Mente Sana arbeitet derzeit an einem Positionspapier zum Thema. Ambulante Angebote müssten ausgebaut und alle mit der Umsetzung zuständigen Stellen (Ärzteschaft, Polizei, KESB, Ambulanz) sensibilisiert werden. «Zwangseinweisungen sind ein extremer Akt gegen grundlegende Freiheitsrechte und sollten nur als Ultima Ratio eingesetzt werden.» In der Praxis aber würden Alternativen, wie vom Gesetz vorgeschrieben, zu wenig geprüft.

 

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