Russland sieht die Schweiz als «feindseliges Land»: Leider hat es recht. Wir haben unsere Neutralität ohne Not preisgegeben
Russland sieht die Schweiz als «feindseliges Land»: Leider hat es recht. Wir haben unsere Neutralität ohne Not preisgegeben
Der russische Aussenminister Sergei Lawrow findet klare Worte über die Schweiz: «Sie ist kein neutrales Land.» Sie sei von einem neutralen zu einem offen «feindseligen Staat» geworden.
Als Begründung fügt Lawrow an, die Schweiz habe sich allen westlichen Sanktionen ausnahmslos angeschlossen. Mehr noch: Die Schweiz verfolge eine aussenpolitische Strategie, die Sicherheit nicht mit Russland, sondern gegen Russland bauen wolle.
Es sei deshalb «sehr seltsam», dass die Schweizer sich im Zusammenhang mit der Bürgenstock-Friedenskonferenz so gastfreundlich geben würden – in der Hoffnung, immer noch eine gewisse Reputation als Vermittler zu haben.
Was Lawrow hier schonungslos aufdeckt, sind doppelte Standards der Schweiz. Wir können noch sehr auf unsere neutrale Tradition pochen, Tatsache ist: Viele im Ausland, darunter die Russen, früher aber auch schon die Amerikaner und andere, nehmen uns nicht mehr als neutral wahr.
Und dies – man muss sagen: leider – mit Recht. Der Bundesrat und die Mehrheit der Parlamentarier haben den neutralen Kompass verloren, sie wissen selbst nicht mehr, was eine neutrale Aussenpolitik ist.
Vielleicht haben sie dafür sogar ehrenwerte Motive. Vielleicht ist es die moralische Empörung über einen Angriffskrieg, der so viel Leid verursacht.
Doch das wäre zu kurz gedacht. Man kann die in Jahrhunderten gewachsene und bewährte Maxime der Neutralität nicht einer momentanen Gefühlslage opfern.
Offenbar fehlt es unseren tonangebenden Politikern oft schon an den elementarsten analytischen Unterscheidungskriterien: Denn niemand verlangt Gesinnungsneutralität.